# taz.de -- Streit der Woche: „Wagner ist ein Verführer“ | |
> Kein anderer Komponist sorgte für so hitzige Diskussionen: Richard | |
> Wagner, das Genie, der Narzisst. Darf man ihn lieben? | |
Bild: Die Sopranistin Annette Dasch als Elsa von Brabant im „Lohengrin“, be… | |
Ja, findet der Regisseur Sebastian Baumgarten und fragt nach der | |
moralischen Instanz, die diese Frage stellt: „Wagner ist eine ideologische | |
Dialektikkampfmaschine gegen die Banalität und Realitätslüge des Linearen, | |
Kontinuierlichen.“ Ein radikal neues Zeichen- und Bedeutungssystem habe | |
Wagner entwickelt und sich durch die „Affirmation des Hohlen, Spukhaften“ | |
unabdingbar gemacht, schreibt Baumgarten im Streit der Woche der aktuellen | |
sonntaz. Er hat im Sommer 2011 in Bayreuth „Tannhäuser“ inszeniert. | |
Auch auf die Mezzo-Sopranistin Okka von der Damerau übt Wagners Musik eine | |
große Faszination aus. Bei seinen Werken reize sie besonders „die | |
Komplexität, die mich sehr fordert, gesanglich, musikalisch, inhaltlich und | |
auch persönlich“. | |
Die Musiktherapeutin Gisela Linnen interessiert dagegen die Möglichkeit, | |
über den Umweg der Musik eine konstruktive Auseinandersetzung mit der | |
NS-Zeit zu ermöglichen. „Natürlich darf man Wagner lieben“, so Linnen, f�… | |
aber hinzu, die Art und Weise der Zuneigung sei mitzubedenken. | |
## Sind dann auch die Israelis Antisemiten? | |
Auf Facebook kommentiert Regina Margarete Koller: „Wenn es den | |
Walküren-Ritt in Israel als Klingelton zu kaufen gibt – sind dann die | |
israelischen Anbieter und ihre Kunden Antisemiten?“ Sie empfindet auch die | |
Wagner-Diskussion in Israel nur noch partiell als hitzig und weist darauf | |
hin, dass Wagner sich vielfach von israelischen Komponisten habe | |
inspirieren lassen. | |
„Wie kann man Wagner mögen?“, fragt dagegen Pierre-René Serna, Autor aus | |
Frankreich und ergänzt: „Seine Musik ist ein Durcheinander ohne Prägnanz. | |
Sie verzaubert seine Zuhörer“. Die Faszination, die beim Hören entstehe, | |
verhindere jedoch, dass Wagners Musik ausreichend reflektiert werde, so | |
Serna. „Für mich ist die Tatsache, Wagner nicht zu mögen, auch eine Form, | |
meine Zuneigung für Deutschland zu zeigen, einem heutzutage sehr toleranten | |
und aufgeschlossenen Land.“ | |
Gottfried Wagner empfindet die Werke seines Urgroßvaters indes als | |
„Welt-Selbsterlösungs-Soap“, die sich der Komponist durch das destruktive | |
Potential seiner Selbstvergötterung, Frauenverachtung und Xenophobie selbst | |
erschaffen habe. | |
Der Schriftsteller Rolf Schneider, Autor des Buches „Wagner für Eilige“, | |
kritisiert „den maßlosen Egoismus, den Größenwahn, den widerwärtigen | |
Judenhass, der sich über die Witwe Cosima, die Bayreuther Blätter bis hin | |
zu Adolf Hitler multiplizierte“. Wagners Musik gleiche einem Opiat und | |
Wagner sei ein Verführer. „Besser wäre, man würde sich wehren“. | |
Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Angelika Niescier, Jazz-Saxofonistin | |
aus Köln, und taz-Leser Carsten Heinisch — in der aktuellen sonntaz vom | |
13./14. April 2013. | |
13 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne-Sophie Balzer | |
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