| # taz.de -- Bestechlichkeitsverfahren: Wulff kann sich freikaufen | |
| > Dem ehemaligen Bundespräsidenten wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Gegen | |
| > Zahlung eines Geldbetrags könnte das Verfahren eingestellt werden – ohne | |
| > Geständnis. | |
| Bild: Erinnert optisch entfernt an George W. Bush. | |
| FREIBURG taz | Die Staatsanwaltschaft Hannover plant, das Verfahren gegen | |
| Exbundespräsident Christian Wulff nach Zahlung einer Geldauflage von bis zu | |
| 50.000 Euro einzustellen. Das berichten der Spiegel und die Hannoversche | |
| Allgemeine Zeitung. Wulff habe Zeit bis Anfang April, das Angebot | |
| anzunehmen. | |
| Von vielen Vorwürfen gegen Wulff blieb am Ende nur einer übrig, den die | |
| Staatsanwaltschaft für strafwürdig hält. Dabei ging es um einen Besuch von | |
| Christian und Bettina Wulff auf dem Münchner Oktoberfest im Oktober 2008. | |
| Der mit Wulff befreundete Filmunternehmer David Groenewold zahlte Teile der | |
| Hotelkosten, übernahm das Honorar einer Babysitterin für Wulffs Sohn und | |
| kaufte die Verzehrbons im exklusiven Käfer-Zelt, alles zusammen im Wert von | |
| knapp 800 Euro. | |
| Einladungen unter Freunden sind nicht verboten, auch wenn sie den damaligen | |
| Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, betreffen. Strafbar | |
| sind solche Geschenke aber, wenn sie von den Beteiligten als Gegenleistung | |
| für vergangene oder zukünftige Diensthandlungen gedacht waren. | |
| Im konkreten Fall hatte Groenewold seinen Freund Wulff um Hilfe bei der | |
| Vermarktung des Films „John Rabe“ gebeten. Der Film handelt von einem | |
| Siemens-Manager, der 1937/38 während der japanischen Besatzung in China | |
| versuchte, der Zivilbevölkerung zu helfen. Groenewold schrieb seinen | |
| Bittbrief an Wulff zwei Tage nach dem Treffen beim Oktoberfest. Sechs | |
| Wochen später, im Dezember 2008, schrieb Wulff auf Briefpapier des Landes | |
| Niedersachsen an Siemens-Chef Peter Löscher, der Konzern möge sich bei der | |
| Vermarktung des Films engagieren. | |
| ## Der böse Schein wird bestraft | |
| Nach einem Bericht des Focus vom vorigen Wochenende wirft die | |
| Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Wulff in diesem Zusammenhang nicht | |
| mehr Vorteilsannahme, sondern sogar Bestechlichkeit vor. Der Unterschied: | |
| Bei der Vorteilsannahme fließt Geld für eine pflichtgemäße Diensthandlung, | |
| bestraft wird also der böse Schein. Bei der Bestechlichkeit ist die | |
| Diensthandlung tatsächlich pflichtwidrig. | |
| Wulff hat bisher behauptet, er habe gar nicht mitbekommen, dass Groenewold | |
| einen Teil seiner Hotelkosten übernommen hat. Für den Film habe er sich aus | |
| eigenem Interesse an der Person John Rabes eingesetzt. Die Bedeutung Rabes | |
| sei ihm von seinen Asienreisen bekannt gewesen. Auch Groenewold, dem | |
| Bestechung vorgeworfen wird, hat bisher bestritten, dass es hier um | |
| Leistung und Gegenleistung ging. | |
| Wulff und Groenewold müssen sich nicht auf das Angebot der | |
| Staatsanwaltschaft einlassen. Wenn sie nicht zusammen bis zu 50.000 Euro | |
| bezahlen, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage gegen die | |
| beiden Freunde erhebt oder ob sie das Verfahren wegen geringer Schuld | |
| einstellt, dann ohne Geldauflage. Die dritte Möglichkeit, eine Einstellung | |
| wegen erwiesener Unschuld von Wulff, erscheint derzeit äußerst | |
| unwahrscheinlich. | |
| ## Leichtere und mittlere Kriminalität | |
| Die angebotene Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage | |
| ist nichts Ungewöhnliches und in der Strafprozessordnung geregelt (Paragraf | |
| 153a). Sie ist für Fälle der leichteren und mittleren Kriminalität | |
| vorgesehen, wenn die Erfüllung der Auflage geeignet ist, „das öffentliche | |
| Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen“. Ein Geständnis Wulffs ist | |
| nicht Voraussetzung. Mit der Zahlung der Geldauflage ist kein | |
| Schuldeingeständnis verbunden. Wulff wäre auch nicht vorbestraft. | |
| Das Verfahren ist 1974 eingeführt worden und dient der Entlastung der | |
| Strafjustiz. Es ähnelt dem sogenannten Deal, über den am Dienstag das | |
| Bundesverfassungsgericht entscheidet. Der „Deal“ findet nach Erhebung der | |
| Anklage statt. Für ein prozessabkürzendes Geständnis wird dem Angeklagten | |
| dabei eine mildere Strafe versprochen. | |
| 17 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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