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# taz.de -- Änderungsbedarf bei Arznei-Richtlinie: Ethische Standards mangelha…
> Das Schutzniveau bei der EU-Richtlinie für Arzneiversuche mit Menschen
> reicht nicht aus, sagt die Bundesregierung. Sie fordert grundlegende
> Änderungen.
Bild: Kontrolle und Mitentscheidungsmöglichkeiten der einzelnen EU-Staaten sol…
BERLIN taz | Die schwarz-gelbe Bundesregierung lehnt eine Aufweichung
ethischer Standards für Arzneiversuche an Menschen kategorisch ab. In ihrem
„Bericht zum Stand der Verhandlungen zur EU-Richtlinie Klinische Studien“,
den der Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwoch in nicht
öffentlicher Sitzung beriet, listet die Regierung gleich acht Knackpunkte
an dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission auf, für die sie
„Beratungsbedarf“ oder „Änderungsbedarf“ sieht.
Konkret wehrt sich die Regierung gegen eine „Absenkung des Schutzstandards
bei minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen“: Hier sei
darauf zu bestehen, dass das strenge „Schutzniveau“ des deutschen
Arzneimittelgesetzes erhalten bleibe, heißt es in dem fünfseitigen Papier
aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), das der taz
vorliegt.
Daneben fordert die Regierung eine „ausdrückliche Einbeziehung von
Ethik-Kommissionen“ bei der Bewilligung pharmagesponserter klinischer
Studien.
Inakzeptabel sei auch, dass die Pharmafirmen sich nach dem Willen der
EU-Kommission künftig bei multinationalen Studien selbst aussuchen können,
welches Land sie als „Berichterstatter“ wählten. Alle anderen Länder
müssten dann die dort geltenden ethischen Standards übernehmen und zwingend
in die klinischen Studien mit einsteigen.
## Mitgliedstaaten müssen entscheiden
Bislang konnten die EU-Mitgliedstaaten über eine Teilnahme autonom
entscheiden – und so, findet jedenfalls die Bundesregierung, soll es auch
bleiben: Die „Bestimmung des berichterstattenden Mitgliedstaats durch ein
transparentes Verfahren“ sei ebenso unverzichtbar wie die „stärkere
Einbindung der betroffenen Mitgliedstaaten in den Bewertungsprozess“.
Schließlich müssten auch die Fristen für die Stellungnahmen der
Arzneimittelbehörden verlängert werden.
Entsprechende „Formulierungsvorschläge“ seien in Arbeit oder bereits in die
zuständige „Ratsarbeitsgruppe“ eingebracht worden, und zwar nicht im
deutschen Alleingang, sondern zusammen mit anderen Mitgliedstaaten.
Ähnlich kritisch hatten sich zuvor der Bundesrat, der Bundestag, die
Bundesärztekammer, der Verband forschender Arzneimittelhersteller sowie die
Berichterstatterin des Umwelt- und Gesundheitsausschusses im Europäischen
Parlament geäußert.
## Nicht alles ist schlecht
Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft,
Wolf-Dieter Ludwig – bekannt als fachkundiger Kritiker der Pharmalobby –,
warnte unterdessen vor einer generellen Verteufelung der EU-Richtlinie: Die
angestrebte Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union biete die
Chance, dass die Durchführung dringend benötigter, akademischer, nicht
kommerzieller Studien für Ärzte an Universitätskliniken künftig wieder
attraktiver werde, sagte Ludwig Anfang der Woche in Berlin.
Denn die Richtlinie sehe den „Abbau einer Bürokratie vor, die noch nie
etwas mit dem Patientenwohl zu tun hatte“, wohl aber dazu geführt habe,
dass viele Ärzte angesichts des hohen administrativen Aufwands und der
geringen Dokumentationsgelder lieber auf eigene, unabhängige Studien
verzichteten.
Diese sogenannten Therapieoptimierungsstudien haben zumeist das Ziel, den
Nutzen von bereits zugelassenen Medikamenten in der normalen klinischen
Versorgung festzustellen, also unter Alltagsbedingungen.
## Studien dringend notwendig
„Gerade bei den sehr teuren Krebsmedikamenten brauchen wir diese Studien
dringend für unsere Patienten“, sagte Wolf-Dieter Ludwig, „denn allein
aufgrund der Zulassungsstudien wissen wir oft nicht, ob die Schäden des
Medikaments seinen Nutzen überwiegen“.
Eine finanzielle Beteiligung der Krankenkassen an solchen Studien hält
Ludwig für wünschenswert: „Die initialen Mehrkosten durch die
Post-Zulassungsstudien können durch Rationalisierung der Tumortherapie
mittelfristig teilweise eingespart werden“, sagte er.
Zugleich warnte er davor, öffentliche Etats für derlei unabhängige Studien
herunterzuschrauben. Ludwig: „Ich finde es zunehmend unerträglich, dass wir
gezwungen sind, uns bei pharmagesponserten Studien zu prostituieren, die
wir gar nicht gut finden.“
22 Mar 2013
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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Arzneimittel
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