| # taz.de -- Mehr Transparenz bei Pharmastudien: Verwaiste Rohdaten | |
| > Bisher unveröffentlichte Medikamentenstudien sollen von Dritten | |
| > veröffentlicht werden – auch gegen den Willen derer, die die Studien | |
| > durchgeführt haben. | |
| Bild: Die Daten gehören den PatientInnen, diese müssen die Arzneimittel schli… | |
| BERLIN taz | Kritische Mediziner beklagen seit Langem, dass zahlreiche | |
| Medikamentenstudien, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, nie an | |
| die Öffentlichkeit gelangten. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA in | |
| London hat sich zuletzt des Themas angenommen und will für mehr Transparenz | |
| sorgen. Doch die Pharmaindustrie wehrt sich. | |
| Mit einer Klage verhinderten die Medikamentenhersteller AbbVie und | |
| InterMune zunächst die Veröffentlichung von Studiendaten durch die EMA. | |
| Im [1][British Medical Journal] hat nun eine Gruppe von Wissenschaftlern | |
| einen brisanten Vorschlag unterbreitet. Zu vielen Studien liegen den | |
| Forschern bereits Rohdaten vor, die sie nutzen wollen, um die | |
| Veröffentlichung selbst durchzuführen. | |
| Die Initiatoren der Aktion bezeichnen die unveröffentlichten Studien, die | |
| teilweise aus den 90er Jahren stammen, als verwaiste Studien. Viele der | |
| Medikamente sind noch heute im Einsatz, darunter das Epilepsiemedikament | |
| Gabax von Pfizer oder das Grippemittel Relenza von GlaxoSmithKline. | |
| ## Daten überprüfen | |
| Konkret fordern die Wissenschaftler, dass sämtliche der betroffenen Studien | |
| innerhalb von einem Jahr publiziert werden. Andernfalls würden Dritte die | |
| Veröffentlichung übernehmen. Studien, in denen die veröffentlichten Daten | |
| nicht mit den Rohdaten übereinstimmen, sollen erneut veröffentlicht werden. | |
| Auch andere Wissenschaftler, denen entsprechende Daten vorliegen, sollen | |
| ermutigt werden, sich der Aktion anzuschließen. Initiator der Aktion ist | |
| Peter Doshi von der John Hopkins University, der sich seit Jahren mit dem | |
| Unternehmen Roche um den Zugriff auf Daten zum Grippemittel Tamiflu | |
| streitet. Auch zu Tamiflu hat Doshi unveröffentlichte Daten in der | |
| Schublade. Die möglichen Konsequenzen seiner Aktion sieht er gelassen. | |
| „Ich sehe keine juristischen Hindernisse bei der Veröffentlichung von | |
| verwaisten Studien“, sagte Doshi der taz. „Es ist aber schwer | |
| vorherzusagen, ob diejenigen, denen unser Vorstoß nicht gefällt, versuchen | |
| werden, diesen per Gesetz zu stoppen oder zu verlangsamen.“ | |
| ## Alle Daten auf den Tisch | |
| Zwei wichtige Fachpublikationen, das British Medical Journal und die | |
| Open-Access-Zeitschrift PLOS Medicine, haben angekündigt, verwaiste Studien | |
| zu veröffentlichen. Auch der Direktor des deutschen Cochrane-Zentrums Gerd | |
| Antes unterstützt die Aktion. „Die Studiendaten sollten nur einem gehören: | |
| den Patienten. Denn die können geschädigt werden, wenn nicht alle Daten auf | |
| dem Tisch liegen“, sagte Antes der taz. | |
| Der Dachverband der europäischen Pharmaunternehmen Efpia erklärte auf | |
| taz-Anfrage, man unterstütze das Ziel, Daten transparent zu machen, und | |
| werde dazu in den nächsten Wochen einen eigenen Vorstoß starten. „Es ist | |
| aber notwendig, Patientendaten und kommerziell sensible Informationen in | |
| diesem Prozess zu schützen“, heißt es in einem Statement von Efpia. | |
| „Das ist die übliche Verschleierungstaktik der Unternehmen“, sagt dazu Gerd | |
| Antes. „So hat Roche etwa seit Jahren immer wieder angekündigt, alle Daten | |
| zu Tamiflu bereitzustellen. Wir warten darauf bis heute. | |
| 22 Jun 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.bmj.com/content/346/bmj.f2865 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanno Böck | |
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