# taz.de -- Zulassung von Medikamenten: Geheimnisse der Pharmakonzerne | |
> In Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten fehlen oft wichtige | |
> Informationen für die Verbraucher. Die Industrie will, dass das auch so | |
> bleibt. | |
Bild: Viel hilft viel. | |
BERLIN taz | Wenn Pharmafirmen für die Zulassung ihrer Medikamente Studien | |
durchführen, veröffentlichen sie die Ergebnisse in medizinischen | |
Fachzeitschriften. Doch fehlen in den veröffentlichten Studien oft wichtige | |
Informationen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Institut | |
für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kürzlich in | |
der Open-Access-Zeitschrift [1][doi/10.1371/journal.pmed.1001526:Plos | |
Medicine veröffentlicht] hat. | |
Dazu verglichen die Forscher des Instituts die veröffentlichten Ergebnisse | |
mit den sogenannten klinischen Studienberichten (Clinical Study Reports, | |
CSRs), die bei jeder Medikamentenstudie erstellt werden und meist viele | |
hundert Seiten lang sind. Das Resultat: Viele für Patienten relevante | |
Informationen über Wirkung und Nebenwirkungen von Medikamenten finden sich | |
nur in den ausführlichen Studienberichten – diese sind aber in der Regel | |
nicht öffentlich. | |
Das IQWiG ist in Deutschland zuständig für die wissenschaftliche | |
Beurteilung der Wirksamkeit von Medikamenten. Auch eine Behörde wie das | |
IQWiG hat nicht immer Zugriff auf die Studienberichte. So konnten die | |
Forscher nur solche Studien in ihre Betrachtung einschließen, bei denen | |
Pharmafirmen die Studienberichte freiwillig herausgaben. | |
„Die öffentlich verfügbaren Artikel und Registereinträge dokumentieren | |
weniger als die Hälfte der Studienergebnisse umfassend“, erklärt Beate | |
Wieseler vom IQWiG angesichts der Veröffentlichung der Studie. | |
„Gleichzeitig gibt es mit den Studienberichten Dokumente, die vollständig | |
über die Studienmethodik und die Studienergebnisse Aufschluss geben.“ | |
## Mangelnde Transparenz | |
Das IQWiG hat in seiner Untersuchung 101 medizinische Studien betrachtet, | |
die zwischen 2006 und 2011 durchgeführt wurden und für die die nicht | |
öffentlichen Studienberichte dem IQWiG vorliegen. Bei 15 der betrachteten | |
Studien gab es überhaupt keine öffentlich verfügbaren Informationen zu den | |
Ergebnissen. | |
Und auch bei den Studien, deren Ergebnisse in Fachmagazinen oder | |
Studienregistern veröffentlicht wurden, fehlten fast immer wichtige | |
Informationen. Insgesamt kamen die Forscher zu dem Schluss, dass in den | |
öffentlich verfügbaren Studien nur 39 Prozent der relevanten Informationen | |
enthalten sind, während die ausführlichen Studienberichte 86 Prozent dieser | |
Informationen beinhalten. | |
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) will künftig Forschern den | |
Zugang zu Studienprotokollen erleichtern. In vielen Fällen liegen diese | |
Berichte der EMA bereits vor, da sie Teil des Zulassungsverfahrens sind. | |
Das IQWiG begrüßt dieses Vorhaben grundsätzlich, ist aber mit den | |
bisherigen Vorschlägen noch unzufrieden. Denn nach den aktuellen Plänen | |
sollen nur Berichte von Studien veröffentlicht werden, die ab dem Jahr 2014 | |
erstellt werden. Eine Veröffentlichung von alten Studienberichten ist | |
bislang nicht geplant. Und auch der EMA liegen nur die Studienberichte vor, | |
die bei der Behörde zur Zulassung eingereicht wurden. | |
## Geschäftsgeheimnisse | |
Doch die Pharmaindustrie wehrt sich gegen die Transparenzpläne der EMA. | |
Zuletzt klagten zwei Pharmakonzerne gegen die EMA, weil sie die Herausgabe | |
von Studienberichten verhindern wollten. Pharmavertreter kritisieren die | |
neue Transparenzoffensive der EMA und berufen sich darauf, dass die | |
Studienberichte Geschäftsgeheimnisse enthalten. | |
„Wir hoffen, dass sich die EMA von den alarmistischen Stellungnahmen der | |
Industrie nicht von ihrem Kurs abbringen lässt“, erklärt dazu Beate | |
Wieseler. „Mancher will am liebsten alle Studiendaten zu | |
Geschäftsgeheimnissen erklären. Wir reden hier aber über Studien an | |
Menschen, die in der Hoffnung teilgenommen haben, dass mithilfe der | |
gewonnenen Erkenntnisse bessere Therapien entwickelt werden.“ | |
18 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.plosmedicine.org/article/info | |
## AUTOREN | |
Hanno Böck | |
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