# taz.de -- Datenschützer über Patientendaten: „Das Gesetz ist klar“ | |
> Der Jurist Thilo Weichert spricht angesichts des Handels mit | |
> Patientendaten vom größten Skandal mit medizinischen Informationen in der | |
> Nachkriegszeit. | |
Bild: Wer hat ihr welches Medikament verschrieben? Fragen Sie doch Ihren Arzt o… | |
taz: Herr Weichert, das Magazin Der Spiegel berichtet, das süddeutsche | |
Apothekenrechenzentrum VSA verkaufe unzureichend verschlüsselte | |
Patientendaten an das US-Marktforschungsunternehmen IMS. VSA und IMS | |
dementieren: alles korrekt. Was stimmt denn nun? | |
Thilo Weichert: Im konkreten Fall handelt es sich genau genommen nicht um | |
eine Verschlüsselung, sondern eine Pseudonymisierung. Das heißt: Jeder | |
Datensatz ist ein eindeutiger und individueller Datensatz, der jederzeit | |
identifizierbar ist. Anonymisierung im Sinne des Gesetzes wird damit nicht | |
erreicht. Schon im September vergangenen Jahres hatten wir als | |
Landesdatenschutzbehörde dies mit den anderen Ländern intensiv diskutiert | |
und nachgewiesen. Bis auf die Behörden Bayerns und Hessens stimmten die | |
anderen 14 Stellen überein, dass die Pseudonymisierung von VSA und anderen | |
Rechenzentren nicht den Anforderungen genügt. Hier handelt es sich meines | |
Erachtens tatsächlich um den größten Datenskandal im medizinischen Bereich | |
in der Nachkriegsgeschichte. | |
Was bedeutet das für Patienten? | |
Patientinnen und Patienten müssen davon ausgehen, dass zu ihrer Person ein | |
Datensatz vorhanden ist, der unter Umständen über Jahre hinweg | |
nachvollzieht, welche Medikamente verschrieben werden. Konkret kann ein | |
Pharmaunternehmen sehen: Welcher Arzt hat wann welches Medikament | |
verschrieben. Wird zum Beispiel ein Produkt weniger oft verschrieben, kann | |
bei Ärzten gezielt dafür geworben werden. Das bedeutet: Die | |
Pharmaunternehmen nehmen mit den Daten Einfluss auf eine medizinische | |
Behandlung, was gesundheitliche Folgen für die Betroffenen zur Folge haben | |
kann. | |
Welche Verantwortung haben die Ärzte und Apotheker? | |
Die Ärzte sind bei diesem Verfahren nur indirekt beteiligt. Die Apotheken | |
hingegen sind rechtlich verantwortlich für die Vertraulichkeit – auch für | |
ihre Auftragnehmer, die Rechenzentren. Wenn sie wissen, dass ihr | |
Rechenzentrum unzulässig handelt, sind sie mitverantwortlich. | |
Dem Gesetz nach dürfen Patientendaten zu „anderen Zwecken“ weitergegeben | |
werden. Muss hier klarer formuliert werden? | |
Nein, das Gesetz ist klar. Die Daten dürfen ja weitergegeben werden, sie | |
müssen lediglich hinreichend anonymisiert werden. Das ist hier aber nicht | |
der Fall. Hinzu kommt, dass eine Bereicherungsabsicht besteht. Vor 2012 war | |
kein Verfahren der Rechenzentren datenschutzkonform, das heißt, jeder | |
gesetzlich Krankenversicherte war potenziell betroffen, dass seine Daten | |
bei einer Weitergabe nicht sicher anonymisiert sind. Einige Rechenzentren, | |
wie etwa das Norddeutsche Apothekenzentrum (NARZ) haben ihr Verfahren | |
technisch umgestellt, sodass nun eine wirksame Anonymisierung erfolgt. | |
Was müsste konkret für einen besseren Schutz von Patientendaten getan | |
werden? | |
Je größer der Druck auf die Rechenzentren und die zuständigen Behörden | |
wird, umso größere Chancen bestehen, den Datenschutz durchzusetzen. Ich bin | |
da ganz großer Hoffnung. Ich hab mich sehr gefreut, dass das | |
Gesundheitsministerium nun die Verfahren prüft und dass die Krankenkassen | |
sich positioniert haben, dass es so nicht weitergeht. Wichtig ist, dass die | |
zuständige Staatsanwaltschaft, die Landesdatenschutzbehörde Bayern und die | |
handelnden Firmen sich eines Besseren besinnen. | |
20 Aug 2013 | |
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