| # taz.de -- Schummeleien von Krankenkassen: 280 Prozent mehr Herzinfarkte | |
| > Die Hälfte der gesetzlichen Krankenkassen manipuliert Versichertendaten, | |
| > um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds abzugreifen. | |
| Bild: Kranker Wettbewerb: Im Gesundheitswesen herrscht eine Schattenwirtschaft. | |
| BERLIN taz | Um an mehr Mittel aus dem Gesundheitsfonds zu gelangen, macht | |
| die Hälfte der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland offenkundig | |
| falsche Angaben darüber, unter welchen Krankheiten ihre Versicherten | |
| tatsächlich leiden. | |
| Wie die Rheinische Post berichtet, war das Bundesversicherungsamt (BVA) in | |
| Bonn während einer Überprüfung aller derzeit 134 Kassen etwa über die | |
| absurd hohe Zuwachsrate von 280 Prozent für Herzinfarkte bei einer | |
| Betriebskrankenkasse gestolpert. | |
| Auch eine angebliche Zuwachsrate von 30 Prozent bei Hauttumoren, die eine | |
| Ersatzkrankenkasse angegeben hatte, machte stutzig. Wie die Bundesbehörde | |
| gegenüber der taz erklärte, sind auch die Meldungen über | |
| Niereninsuffizienzen bei mehreren Kassen auffällig hoch. Für alle drei | |
| Diagnosen gab es bei den übrigen Versicherern keine nennenswerten | |
| statistischen Veränderungen. | |
| Das Amt überprüft jährlich die gemeldeten Krankheitszahlen von 80 | |
| Diagnosen. Bereits im vergangenen Jahr waren den Beamten Unstimmigkeiten | |
| aufgefallen, in drei Fällen stellte sich der Verdacht der Manipulation als | |
| begründet heraus. | |
| ## Bundesversicherungsamt droht mit Sanktionen | |
| Falls die nun geforderten Erklärungen nicht zeitnah erbracht werden, will | |
| die Bundesbehörde die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds korrigieren und | |
| in Einzelfällen auch Sanktionen über die betroffenen Kassen verhängen. Da | |
| es sich nach Angaben des BVA dabei vor allem um kleinere Kassen handelt, | |
| deren Rücklagen weniger komfortabel sind als die der größeren Versicherer, | |
| wird dieser finanzielle Druck auch an die Patienten durchgereicht. | |
| Ein Sprecher des BVA betonte zwar, dass „fast alle Leistungen“ der GKV | |
| gesetzlich festgelegt seien. Doch erst im August hatte der Medizinische | |
| Dienst der Krankenkassen (MDK) mitgeteilt, dass die Kassen ihren | |
| Versicherten jedes Jahr hunderttausendfach Krankengeld und Rehaleistungen | |
| verweigerten. | |
| Dass sich die Kassen solches Fehlverhalten leisten, habe einfache Gründe, | |
| sagt Susanne Mauersberg von der Bundesverbraucherzentrale in Berlin: „Das | |
| ist politisch so gewollt.“ Der „morbiditätsorientierte | |
| Risikostrukturausgleich“, der die Zuweisungen aus dem Fonds nicht nur an | |
| die Zahl der Versicherten, sondern auch an deren Krankheitsstatus koppelt, | |
| habe dafür gesorgt, dass ein gesunder Wettbewerb zwischen den Kassen | |
| unmöglich sei. | |
| Und so spitzt sich die Lage auf dem 2009 geschaffenen Marktplatz Gesundheit | |
| weiter zu. Erst vergangene Woche hatte das BVA die Selektionspraxis der | |
| gesetzlichen Krankenkassen angeprangert. Demnach zahlten viele | |
| Versicherungen gezielt Prämien für die Neuversicherung junger und gesunder | |
| Bürger, während die potenziell teureren alten Patienten teilweise sogar aus | |
| ihrer sozialgesetzlichen Absicherung gedrängt würden. | |
| 3 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Kathrin Zinkant | |
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