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# taz.de -- Behinderte als Forschungsobjekt: Fremdnützige Forschung
> Nach den genetischen Ursachen geistiger Behinderung sucht das
> Forschernetzwerk Mentale Retardierung. Kritisiert wird, dass dabei Kinder
> als Forschungsobjekt dienen.
Bild: In den Buchstabenabfolgen der DNA suchen die Genforscher nach den Krankhe…
HAMBURG taz | Das Wissenschaftlernetzwerk Mentale Retardierung (MRNET), das
nach genetischen Ursachen geistiger Behinderung sucht, wird nun auch im
Bundestag in Frage gestellt. "Uns befremdet, dass dieses bioethisch
fragwürdige Forschungsprojekt vom Bundesforschungsministerium (BMBF) seit
dem Jahr 2008 finanziell gefördert wird", sagt die grüne Abgeordnete Biggi
Bender.
Im Rahmen einer multizentrischen Studie, an der Humangenetiker von sieben
deutschen Universitäten beteiligt sind, werden Mütter und Väter von Kindern
mit "psychomotorischer Entwicklungsstörung" gebeten, ihr Kind als Proband
zur Verfügung zu stellen.
Wer mitmacht, wird körperlich untersucht und fotografiert; zudem stimmen
die Eltern stellvertretend für ihre Töchter und Söhne zu, dass ihnen zwecks
genetischer Analyse eine Blut- oder Gewebeprobe entnommen wird, die
Forscher zeitlich unbefristet aufbewahren dürfen. Einen gesundheitlichen
Nutzen stellt die [1][Einwilligungserklärung den Teilnehmern nicht in
Aussicht.]
"Nach den uns Grünen vorliegenden Informationen", sagt die
Gesundheitspolitikerin Bender, "stehen bei dieser Studie an
nichteinwilligungsfähigen Kindern mit sogenannter geistiger Behinderung
fremdnützige Aspekte der Forschung im Vordergrund."
Alarmiert durch die Bundesvereinigung Lebenshilfe, die insbesondere vor der
Entwicklung weiterer vorgeburtlicher Gentests im Rahmen von MRNET warnt,
haben die Grünen nun eine ausführliche kleine Anfrage an die
Bundesregierung gestellt. Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) soll
erklären, ob und welche therapeutischen Behandlungsoptionen sich ihr Haus
von dem Forschungsprojekt verspricht.
Auch soll die Ministerin darlegen, ob das BMBF erwarte, "dass aus diesem
Forschungsprojekt prognostische Schlussfolgerungen (z. B. Gentests)
abgeleitet werden". Bender und ihre Fraktion wollen außerdem wissen, ob der
Förderantrag der beteiligten Humangenetikinstitute "eine Kostensenkung im
Gesundheitswesen" verheiße und wie Schavan diesen Aspekt bewerte.
Anlass zur Nachfrage bietet die Selbstdarstellung des MRNET: "Mentale
Retardierung", erklärt das Forschernetzwerk auf seiner Webseite, "betrifft
etwa zwei Prozent der Bevölkerung und ist der bedeutendste einzelne
Kostenfaktor im Gesundheitswesen."
Mit Schavans schriftlichen Antworten ist in den nächsten Tagen zu rechnen.
Gespannt darauf sind sicherlich auch die MRNET-Forscher, deren erste, vier
Millionen Euro umfassende BMBF-Förderung am 31. März 2011 abläuft.
Netzwerk-Koordinator André Reis, der auch Vorsitzender der Deutschen
Gesellschaft für Humangenetik (GfH) ist, hat einen neuen Förderantrag für
weitere drei Jahre beim Forschungsministerium eingereicht.
Nicht zum konkreten Fall MRNET, aber allgemein zum geltenden Recht hat sich
Annette Schavan Mitte Juli im Internetportal abgeordnetenwatch.de wie folgt
positioniert: "Dient die Forschung nur Interessen Dritter", erläuterte die
Bundesforschungsministerin einem interessierten Bürger, "ist eine
Einwilligung von Sorgeberechtigten in diese Forschung nach deutscher
Rechtslage grundsätzlich nicht möglich."
3 Sep 2010
## LINKS
[1] /1/zukunft/wissen/artikel/1/blutproben-fuer-genomforscher/
## AUTOREN
Klaus-Peter Görlitzer
## TAGS
Arzneimittel
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