# taz.de -- Schiff mit radioaktiver Fracht: Fast Katastrophe beim Kirchentag | |
> Während des Christenfestes ereignet sich ein Großbrand auf einem Schiff | |
> mit radioaktiver Fracht. Das Unfallrisiko wurde lange verschwiegen. | |
Bild: Kirchentagsfeier an der Elbe - fast wäre es hier zur Katastrophe gekomme… | |
HAMBURG taz | Der Kirchentag in Hamburg ist am Abend des 1. Mai nur knapp | |
an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. An Bord des Auto- und | |
Containerfrachters „Atlantic Cartier“, der im Hafen in Brand geraten war, | |
befanden sich neben 70 Autos auch 33 Container mit 3,8 Tonnen Munition und | |
20 Tonnen radioaktive Stoffe. Allein in einem Container lagerten 9 Tonnen | |
hochgiftiges Uranhexafluorid – ein Deck über dem Brandherd. Nur 500 Meter | |
Luftline entfernt waren zeitgleich tausende Besucher zur Eröffnung des | |
Kirchentages zusammengekommen. | |
Öffentlich bekannt wurde die Beinahkatastrophe erst jetzt durch eine | |
Antwort des SPD-Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen. „Es ist eine | |
Ungeheuerlichkeit, dass der Senat die Öffentlichkeit nicht sofort | |
informiert hat“, schimpft der hafenpolitische Sprecher der Grünen, Anjes | |
Tjark. Er bezeichnete das als „Vertuschungsversuch“. | |
Die Löscharbeiten waren äußerst dramatisch. Denn in ganz Norddeutschland | |
war für die Feuerwehr kein Kohlendioxid (CO2) zu bekommen, um die lodernden | |
Flammen zu ersticken. Der Einsatz von Löschwasser war nicht möglich. Denn | |
wenn Uranhexafluorid mit Wasser in Kontakt gerät, bildet sich Flusssäure, | |
ein farbloses Gas, das noch ätzender und giftiger als Salzsäure ist. | |
Nur dem Einsatz von 296 Feuerwehrleuten, die die Container aus dem | |
brennenden Schiff an Land zogen, ist es zu verdanken, dass es nicht zum GAU | |
gekommen ist. Zwei Löschboote sowie zu Löschbooten umfunktionierte | |
Hafenschlepper und Polizeiboote kühlten derweil den Schiffsrumpf von außen. | |
Es habe „die Gefahr bestanden, dass durch das Freiwerden von Gefahrengütern | |
Gesundheitsgefahren und Gefahren für die Umwelt entstehen“, räumt der Senat | |
ein. | |
Uranhexafluorid wird verwendet, um Uran 235 von Uran 238 zu trennen. Aus | |
Uran 235 werden Brennelemente für Atomkraftwerke oder Nuklearmaterial für | |
Atombomben hergestellt. Das hochgiftige Uranhexafluorid ist ein | |
Gammastrahler und hat laut Experten eine Halbwertzeit von 4,5 Millionen | |
Jahren, in denen verstrahlte Gebiete kontaminiert bleiben. | |
## Material kam aus den USA | |
Der Transport war vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt. Das Material | |
kam aus den USA und sollte von Hamburg über Land nach Holland gebracht | |
werden. Weitere radioaktive Stoffe aus unbestrahlten Brennelementen waren | |
auf den Transitweg nach Frankreich. | |
Dass das Frachtschiff der Reederei „Atlantic Container Line“ (ACL) für | |
Atomtransporte eingesetzt wird, ist für den Physiker Fritz Storim von der | |
Messstelle für Arbeit und Umweltschutz in Bremen ein offenes Geheimnis. Und | |
auch dass Hamburg ein Hauptumschlagsplatz für Atomtransporte gerade nach | |
Osteuropa ist, sei immer wieder öffentlich angeprangert worden. | |
Der Senat räumte nur ein, dass die Reederei auf Atomtransporte geeicht sei. | |
Weitergehenden Angaben zu Schiffsnamen und Transportrouten seien als | |
Verschlusssache eingestuft. Nach Informationen der taz haben dieses Jahr | |
aber bereits 25 ACL-Schiffe Hamburg angefahren. | |
17 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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