| # taz.de -- Dreiprozenthürde bei Europawahl 2014: „Stimmen für den Papierko… | |
| > Eine Dreiprozenthürde für die Europawahl 2014 verletze die | |
| > Chancengleichheit von kleinen Parteien, warnt der Jurist Martin Morlok. | |
| > Sie sei verfassungswidrig, meint er. | |
| Bild: Die neue Dreiprozentregel verletze das Wahlrecht der Bürger, sagt Morlok. | |
| taz: Herr Morlok, bei der Europawahl 2014 soll in Deutschland eine | |
| Dreiprozenthürde gelten. Das wollen Union, SPD, FDP und Grüne demnächst im | |
| Bundestag beschließen. Was halten Sie davon? | |
| Martin Morlok: Der Plan dürfte verfassungswidrig sein. Erst 2011 hat das | |
| Bundesverfassungsgericht die Fünfprozenthürde bei Europawahlen mit einem | |
| überzeugenden Urteil beanstandet. Gegen die Grundgedanken dieses Urteils | |
| würde auch eine Dreiprozenthürde verstoßen. | |
| Welche Verfassungsrechte würden verletzt? | |
| Verletzt würde zum einen die Chancengleichheit der Parteien. Kleine | |
| Parteien, die weniger als 3 Prozent der Stimmen erzielen, bekommen die | |
| Mandate nicht, die ihnen rechnerisch zustehen. Zum anderen wird das | |
| Wahlrecht der Wähler verletzt, die solche Parteien gewählt haben. Ihre | |
| Stimmen wandern sozusagen in den Papierkorb. | |
| Bei der Bundestagswahl im Herbst gibt es die Fünfprozenthürde. Wo ist der | |
| Unterschied? | |
| Das Bundesverfassungsgericht lässt Eingriffe in das Wahlrecht nur zu, wenn | |
| es dafür Gründe von Verfassungsrang gibt. Ein solcher Grund ist die | |
| Sicherung einer funktionsfähigen Regierung. Das Europäische Parlament wählt | |
| aber weder eine Regierung noch gibt es feste Koalitionen bei der | |
| Gesetzgebung. | |
| Befürworter sagen, dass die Dreiprozenthürde das Europaparlament | |
| arbeitsfähiger mache. | |
| Mag sein. Aber bei Eingriffen in das Wahlrecht kann es nicht um ein Optimum | |
| an parlamentarischer Handlungsfähigkeit gehen. Entscheidend ist, dass eine | |
| ausreichende Arbeitsfähigkeit gewährleistet wird, und das ist auch ohne | |
| deutsche Dreiprozenthürde der Fall. Derzeit sind im Europaparlament 162 | |
| Parteien vertreten. Es ist zu erwarten, dass sich auch deutsche | |
| Kleinparteien wie die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) einer der | |
| bestehenden sieben Fraktionen anschließen. | |
| Ist es ein Affront gegen Karlsruhe, wenn die Parteien jetzt eine | |
| Dreiprozenthürde für die Europawahl vorschlagen? | |
| Es ist natürlich zulässig, dass ein selbstbewusster Gesetzgeber versucht, | |
| die Grenzen der Verfassungsrechtsprechung auszutesten. Aber in der | |
| derzeitigen Situation, wo es zwischen Berlin und Karlsruhe eh knirscht, hat | |
| es auch einen demonstrativen Charakter, wenn der Bundestag sagt: „Na, das | |
| wollen wir mal sehen …“ | |
| Der Bundestag hat sich doch bewegt: Eine Dreiprozenthürde ist deutlich | |
| niedriger als eine Fünfprozenthürde. | |
| Auf den ersten Blick, ja. Faktisch hätte eine Dreiprozenthürde bei der | |
| letzten Europawahl aber genau die gleiche Wirkung gehabt wie die | |
| beanstandete Fünfprozenthürde, da alle kleinen Parteien weniger als 2 | |
| Prozent der Stimmen erzielten. Da soll also tendenziell der alte Zustand | |
| wiederhergestellt werden. | |
| Karlsruhe hat seine strenge Kontrolle in Wahlrechtsfragen damit begründet, | |
| dass die Bundestagsparteien eigene Interessen verfolgen. | |
| Das Wahlrecht ist eine Wettbewerbsordnung, bei der manche Wettbewerber die | |
| Regeln bestimmen, auch zulasten anderer Wettbewerber. Da ist eine strenge | |
| Kontrolle durch das Verfassungsgericht sehr angebracht. Es wirkt ja doch | |
| etwas schäbig, dass die Mandate, die die Kleinparteien nicht bekommen | |
| sollen, bei den Parteien verbleiben, die die Dreiprozenthürde jetzt | |
| beschließen. | |
| 27 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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