# taz.de -- Kolumne Politik von unten: Fragend stolpern wir nach unten | |
> Über die Kunst, lernend und fragend auf die Fresse zu fliegen, Und warum | |
> sie in Krisenzeitenkultiviert werden sollte. | |
Bild: Hört mal auf zu klingeln! | |
Politik von unten - was soll'n das sein? Jedes Wochenende in der sonntaz, | |
und ich soll mitschreiben. Na, zumindest wird so das Bild der | |
WochenenderevoluzzerIn nicht gebrochen, die sich vielleicht noch zum | |
Ostermarsch auf die Straße traut, aber sonst schön Kekse backt oder einfach | |
arbeiten geht. Alle paar Wochen also kann ich von unten schreiben. Prima! | |
Aber mal langsam. Bin ich unten oder was? Weiß, männlich und | |
mittelständisch …? Und wenn ich dann von "grassroots"- Aktionen schreibe, | |
von Protesten der "einfachen Leute" und Diskussionen an der "Basis" - ist | |
das dann von unten? Oder manipuliere ich nicht die gesamte Leserschaft | |
Deutschlands über unsere vierte Gewalt, die Medien? Das ist doch ziemlich | |
von oben. | |
Also dann: MackerInnen, haltet mal die Klappe. Einfach so. EinkäuferInnen, | |
organisiert euch mal, dass bei euch nachhaltiges Zeug auf dem Tisch landet. | |
Liebende, seid nett zueinander und lernt, euch ordentlich zu streiten. | |
Wecker, hört mal auf zu klingeln, und du, Pate, lass das alles mal sein und | |
werde Gärtner oder so. | |
Ist das nun Politik von unten, was ich da mache? Alle paar Wochen, zwischen | |
Unigehabe und Partys, Demogehüpfe und Aktionstourismus? | |
Na ja, … ich glaube, Politik von unten, wenn es so was gibt, täte gut | |
daran, nicht mit solchen Schachteln um sich zu werfen, wo ein "unten", ein | |
"oben", "links" oder "rechts" draufsteht. Vielleicht nicht mal mit solchen | |
Labels, wo MackerIn, KonsumentIn, Liebende oder Mafiaboss draufsteht. Die | |
fragt dann eher. Und beendet ihre Sätze mit Fragezeichen und Doppelpunkten | |
anstelle von Punkten: Es geht ja immer voran und so. | |
## Sonntags mit Doppelpunkten angeben | |
Wie lern ich Veränderung? Üben, üben, üben? Ich weiß es nicht, sonst würd | |
ich schon längst nicht mehr so gern im Stehen pinkeln und alle anderen | |
würden nachhaltig wirtschaften. Ich hätt die Schachtelschlüsselwarte | |
verändert und gemeinsam mit ihr die Schachteln aus unseren Köpfen zum | |
Golfspielen benutzt, bis einer von da oben kommt und uns vom Platz | |
scheucht. Und wir Strafe zahlen. Oder ein Verfahren an den Hals kriegen. | |
Und dann sonntags mit Doppelpunkten angeben. | |
Ist es das?! Ich lern Veränderung durch Auf-die-Fresse-Fliegen? Aber dann | |
würde sich doch bei denen da oben schon längst viel mehr verändern, oder? | |
Da mach ich doch mal einen aufdiefresseflieg-Workshop. Ganz kostenlos und | |
ohne vorherige Anmeldepflicht. Allerdings mit ganz vielen polizeilichen | |
Auflagen, damit auch von Anfang an alles falsch gemacht wird. | |
Da gibt es verschiedenste Arten, auf die Fresse zu fliegen: Trittst auf 'ne | |
Bananeschale, stolperst über einen Dackel, legst dich halt ganz klassisch | |
hin. Du kannst auch Anlauf nehmen, ansetzen, | |
wollennichtwollenwollennichtwollen und und und … schon liegst du da. | |
Geschubst werden, ganz böswillig, meist mit bösen Blicken und Blitzen, von | |
stinkenden Menschen mit hässlichen Frisuren. Allerdings renne ich auch gern | |
mal volle Kanne auf 'ne Wand zu und lege mich spektakulär hin, zur | |
allgemeinen Belustigung aller Anwesenden. Oder ganz verspielt, ganz | |
nebenbei auf die Fresse geflogen, wälze ich mich auf den Boden rum und | |
nutze den Moment, um dann Türme aus Matsch zu bauen und Freiheitslieder zu | |
pfeifen. | |
## Wollen wir kollektiv scheitern? | |
Kommt ihr alle mit, wollen wir kollektiv scheitern? Au ja, wie die Gruppe | |
"Geld oder Leben", als der Bundestag besetzt wurde: Da haben sich alle, | |
alle von oben, unten, dazwischen und dahinter, alle haben sich hingelegt | |
und blöde Gesichter gemacht: denn das können sie alle, egal von wo sie | |
fliegen. | |
Und das ganz kultiviert. Kapitalismuskrisen sind eine ganz eigene Art des | |
Auf-die Fresse-Fliegens. Ein Kunstgriff, kollektiver Bullshit. Von allen, | |
für alle. Ständig steigen PolitikerInnen auf die Bühne und sagen, dass wir | |
alle in der Scheiße schwimmen. Dass wir alles falsch gemacht haben. Und | |
dass wir alle genauso weitermachen müssen wie vorher. Ganz offen wird | |
Widersprüchlichkeit als Lifestyle gepredigt, unser Bewusstsein darüber ist | |
Zeitgeist der Postmoderne. Und dann kommen Europawahlen und die Rechten | |
gewinnen. | |
Lasst uns, also nun von unten, so was mal anders versuchen und diese | |
bescheuerte Trennung von oben und unten aufheben: ja? Ach Quatsch, einmal | |
noch will ich aufrufen, mit Ausrufezeichen und von oben links: kommt am | |
Samstag nach Berlin zum Flughafen Tempelhof! | |
Fragend voran: los! | |
13 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Jean Peters | |
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