| # taz.de -- Kolumne Politik von unten: Sehnsucht im Schlussverkauf | |
| > Zwischen Hüpfburg und Sekt: Clowns reden mit Kindern über alles. Auch | |
| > über Tabus. Eltern mögen das nicht. | |
| Bild: Infolge des narzisstischen Individualismus sind Stimmungsaufheller hoch i… | |
| Als Clown werde ich in die unmöglichsten Situationen geworfen. Etwa in eine | |
| Meute überzuckerter Kinder in einer Garageneinfahrt. Hüpfburg und | |
| Kroko-Techno. "Schau, Kind, ich hab dir auch noch einen Clown gekauft", | |
| ruft der beschwipste Papa, der mit anderen Eltern Erdbeersekt schlürft. Er | |
| nimmt noch einen Schluck. | |
| Ach ja. Seit der narzisstische Individualismus um sich greift, stehen | |
| Stimmungsaufheller hoch im Kurs. Wie Alkohol. Oder Clowns. In jedem Fall | |
| aber Stimmungsaufheller, die authentisch und poetisch sind - oder machen. | |
| Willkommen im Kapitalismus, Baby. Wenn du durch die Einkaufsschneise der | |
| Vermarktung fließt, bekommst du als Clown eine perverse wie ehrenvolle | |
| Aufgabe: gegen den Ausverkauf der Sehnsüchte zu kämpfen. | |
| Was auf der Bühne passiert, ist eine ganz andere Nummer. Da zählt nur der | |
| Moment, die Liebe zur Situation und die Komplizenschaft mit dem Publikum. | |
| Dass ich die Pupser mitnehme, auf Entdeckungsreise der Augenblicke. | |
| Dorthin, wo Autoritäten verschwimmen - denn, so sagte schon Schiller, "der | |
| mächtigste von allen Herrschern ist der Augenblick". Dank dem Augenblick | |
| kann ein Impuls, der in den Raum geworfen wird, hin und her springen. Ohne | |
| irgendwo abzuprallen. | |
| Wenn ich jongliere, pennt jedes Mal einer meiner Jonglierbälle ein und die | |
| Kinder helfen mir, ihn zu wecken. Das ist ein kleiner soziologischer | |
| Moment: Achtzig Prozent der Kinder schreien, hauen oder kitzeln, um den | |
| Ball wach zu kriegen (was gar kein Problem ist, solange Bälle keine | |
| Gewerkschaft gründen können). Doch am vergangenen Samstag rief der | |
| schnuckelige Tom: "Töten!" | |
| ## Liebe: Vertrauen auf den Zufall | |
| Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. Ich: "Wie können wir den Ball | |
| wecken?" Er: "Töten!" Töten! Aus Angst vor dem Knirps habe ich mich erst | |
| mal hinter meinem Koffer versteckt. Dort überlegte ich. Eigentlich war das | |
| kein schlechter Vorschlag. Töten macht doch Spaß, wenn es nur im Spiel | |
| geschieht. Wie oft wird der Tod verzerrt! Ob als Tabu oder als | |
| Hollywoodgemetzel. | |
| Töten, das war ein guter Vorschlag. Ich hätte Toms Komplize werden und es | |
| versuchen sollen. Wenn das mit dem Töten nicht geklappt hätte, hätten wir | |
| ja noch mal zärtlich kitzeln können. Zumindest versuchsweise. | |
| So laufe ich als Clown auch mal Gefahr, von zahlenden Eltern gehasst zu | |
| werden: Wenn ich reflektiere, was mit viel Mühe von Kindern weggefegt | |
| wurde. Egal, in welchem Haushalt. Beim Polizisten, beim Pfarrer oder | |
| Banker. | |
| Alain Badiou sagt, die Liebe ist das Vertrauen auf den Zufall. In dem Sinne | |
| ist sie eine sehr liebevolle Arbeit, die Arbeit als Clown. Auch wenn der | |
| Zufall es ab und zu will, dass ich so manchen Elternteil gern in einen Sack | |
| voll Liebe stecken würde. | |
| 27 Aug 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean Peters | |
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