# taz.de -- Snowdens Russland-Asyl: Total enttäuschte Supermacht | |
> Ein „Schlag ins Gesicht aller Amerikaner“. Die USA fühlen sich durch den | |
> Umgang mit dem Whistleblower Edward Snowden von Putin brüskiert. | |
Bild: Edward Snowden hat wieder ein gültiges Personaldokument. | |
WASHINGTON dpa/afp | Selten ist die Weltmacht USA derart vorgeführt worden. | |
Wochenlang hat Washington Moskau geradezu angefleht, Edward Snowden | |
auszuliefern. Justizminister Eric Holder ließ sich sogar dazu herab, | |
Russland öffentlich zu versichern, dass der Geheimdienst-Enthüller in den | |
USA keine Folter zu fürchten brauche. Alles vergeblich. Moskau zog es vor, | |
Barack Obama eiskalt auflaufen zu lassen – und das vor einer geplanten | |
Russlandreise des US-Präsidenten. | |
Lange nicht mehr sind die Wogen im politischen Washington derart | |
hochgeschlagen. „Stich in den Rücken“, „Schlag ins Gesicht aller | |
Amerikaner“ – in ersten Stellungnahmen von Senatoren ist die blanke Wut zu | |
spüren. „Snowden ist ein Feigling, der es vorzieht, wegzurennen“, schäumt | |
Senator Charles Schumer, ein Demokrat. Obama solle seine Teilnahme am | |
G20-Gipfel Anfang September in St. Petersburg absagen. | |
„Eine Schande, ein absichtlicher Schritt, die Vereinigten Staaten zu | |
blamieren.“ Auch Senator John McCain, der ehemalige | |
Präsidentschaftsbewerber, kann kaum die Fassung wahren. Wie viele andere in | |
Washington ist er davon überzeugt, dass die Weisung, Snowden Asyl zu | |
gewähren, nur von ganz oben aus dem Kreml kommen konnte, also vom | |
russischen Präsidenten Wladimir Putin. | |
McCain, der republikanische Vietnamveteran, fordert Obama auf, als Reaktion | |
jetzt zur großen Keule zu greifen. „Die Zeit ist gekommen, die Beziehungen | |
zu Putins Russland grundsätzlich zu überdenken.“ | |
Was McCain konkret fordert, würde nichts weniger als eine neue Eiszeit | |
zwischen Washington und Moskau auslösen: Die Nato müsse ohne Zögern in | |
Richtung Osten ausgeweitet werden (einschließlich Georgiens). Das neue | |
Raketenabwehrsystem in Europa solle ohne Rücksichtnahme auf russische | |
Ängste und ohne Abstriche durchgeboxt werden. „Vermutlich das Wichtigste“, | |
so der Senator, die USA sollten Dissidenten und Putin-Gegnern in Russland | |
offen den Rücken stärken. Das klingt fast nach Rückkehr zum Kalten Krieg. | |
## Der Chef kocht vor Wut | |
So weit geht das Weiße Haus zwar nicht. Regierungssprecher Jay Carney gibt | |
sich Mühe, seine Emotionen zu zügeln. „Sehr enttäuscht“, „keine positi… | |
Entwicklung“, ringt er sich auf Fragen von Journalisten ab. Das sind | |
diplomatische Umschreibungen, deren einzige Aufgabe es ist, zu | |
signalisieren, dass der Chef im Weißen Haus vor Wut kocht. | |
Doch mit konkreten Reaktionen hält sich das Weiße Haus zunächst zurück. Den | |
G20-Gipfel in St. Petersburg ist Obama wohl nicht bereit zu kippen – das | |
Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ist schlichtweg | |
zu wichtig für die USA. Doch praktisch gestrichen scheint ein geplantes | |
Tête-à-tête in Moskau mit Putin vor dem Gipfel. | |
Doch kaum jemand in Washington glaubt, dass dies die einzige Antwort auf | |
den Affront aus Moskaus bleibt. Zu sehr haben die USA sich für eine | |
Auslieferung Snowdens ins Zeug gelegt, um jetzt einfach zum Tagesgeschäft | |
übergehen zu können. Der Haken, auf den Insider in Washington hinweisen: | |
Die USA brauchen Russland. Keine der großen Krisen wie Syrien, Nahost und | |
Iran ist letztlich ohne Moskau zu lösen. | |
## Zusammenarbeit mit Geheimdienst | |
Derweil stellte sich heraus, dass private Telekommunikationsanbieter | |
weitaus enger mit dem britischen Geheimdienst GCHQ kooperiert als bislang | |
bekannt. Beim Ausspähen des weltweiten Internetverkehrs habe die | |
Sicherheitsbehörde gleich mit mehreren großen Firmen zusammengearbeitet, | |
berichteten die Süddeutsche Zeitung und der NDR am Freitag unter Berufung | |
auf Dokumente Snowdens aus dem Jahr 2009. Ob die Kooperation noch immer | |
andauert, ist unklar. | |
In den Unterlagen werden demnach neben den internationalen | |
Telekommunikationsfirmen British Telecom, Verizon und Vodafone auch die | |
Netzwerkbetreiber Viatel, Global Crossing und Level 3 Interoute als | |
Schlüsselpartner der GCHQ genannt – allerdings jeweils unter Decknamen. Die | |
Unternehmen hätten offenbar nicht bloß Zugang zu ihren weltweit gespannten | |
Datennetzen gewährt, sondern teilweise auch eigene Computerprogramme | |
entwickelt, um dem Geheimdienst das Abschöpfen der Informationen zu | |
erleichtern. Ein Großteil der Überwachungsarbeit sei damit an private | |
Unternehmen delegiert worden. | |
Mit den Snowden-Dokumenten konfrontiert, hätten die meisten der Firmen auf | |
Gesetze verwiesen, die sie unter bestimmten Umständen zur Herausgabe von | |
Daten an Regierungen verpflichteten. Ein Sprecher von Viatel erklärte den | |
Berichten zufolge, sein Unternehmen kooperiere nicht mit dem britischen | |
Geheimdienst und gewähre auch keinen Zugang zur eigenen Infrastruktur oder | |
Kundendaten. | |
2 Aug 2013 | |
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