# taz.de -- Berufstätige Mütter: Mit Kind und Karriere | |
> Seit dem 1. August gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Damit | |
> werden mehr Frauen arbeiten, sagt das Deutsche Institut für Wirtschaft | |
> voraus. | |
Bild: Voll im Trend: Kinder in der Krippe, Mütter im Büro. | |
BERLIN taz | Anerkennendes Klopfen auf den Tischen. „Susanne Röder ist | |
wieder da“, sagt der Chef in die KollegInnenrunde. Mehrere Monate war die | |
Journalistin nicht in der Zeitungsredaktion, sondern zu Hause. Sie hat sich | |
um ihren Sohn gekümmert. | |
Vor einem Jahr ist Susanne Röder, die anders heißt, Mutter geworden. | |
Seitdem hat die 32-Jährige gebangt: Was wird aus meinem Job? Ergattere ich | |
einen Kitaplatz? Wie realistisch ist der Rechtsanspruch, wenn allerorten | |
Plätze fehlen? | |
Susanne Röder hatte Glück. In dem bürgerlichen Bezirk in Berlin, in dem sie | |
jetzt wohnt, hat sie einen Kitaplatz gefunden. „Die Einrichtung ist gut, | |
ich mache mir keine Sorgen“, sagt sie. Und: „Ich bin froh, wieder | |
ungehindert arbeiten zu können.“ | |
Damit liegt sie voll im Trend. Die sogenannte Beschäftigungsquote für | |
Mütter mit kleinen Kindern liegt derzeit bei 37 Prozent. Darunter sind | |
Voll- und Teilzeit arbeitende Frauen, aber auch solche mit Minijobs und ein | |
oder zwei Arbeitsstunden am Tag. | |
## Sprung auf 39 Prozent | |
Diese Zahl wird sich zügig erhöhen – auf 39 Prozent. Das hat das Deutsche | |
Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) ausgerechnet. Grund: der | |
Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, der seit 1. August gilt. | |
„Wir nehmen an, dass Frauen, die bislang nicht oder nur geringfügig | |
arbeiten gehen konnten, weil sie keinen Betreuungsplatz hatten, jetzt | |
verstärkt berufstätig sind“, sagt Katharina Wrohlich, | |
Wirtschaftswissenschaftlerin beim DIW. | |
Da der Kita-Rechtsanspruch erst seit ein paar Tagen gilt, hat das DIW die | |
Zahl simulativ auf Grundlage belastbarer Daten aus dem sozioökonomischen | |
Panel, einer jährlichen repräsentativen Befragung von deutschen | |
Privathaushalten, errechnet. Die vollständigen Ergebnisse, die der taz | |
vorliegen, veröffentlicht das Institut am Mittwoch. | |
Ein Sprung von 37 auf 39 Prozent klingt nicht viel. Ist aber viel, | |
widerspricht Wrohlich: „Denn die zwei Prozentpunkte resultieren allein aus | |
der staatlich garantierten Fremdbetreuung.“ In den vergangenen zehn Jahren | |
sind immer mehr Mütter berufstätig gewesen, die Beschäftigungskurve steigt | |
langsam, aber kontinuierlich. | |
„Das ist der allgemeine Zeittrend“, sagt Wrohlich. Anders ausgedrückt: | |
Soziale Normen ändern sich, Familienpolitik versucht, den Wünschen der | |
Eltern nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht zu werden. Der | |
Kita-Rechtsanspruch schaffe hierbei zusätzliche Anreize. | |
„In diesem Zusammenhang sind zwei Prozentpunkte viel“, sagt Wrohlich. Die | |
Erwartung, dass plötzlich ein Drittel mehr Mütter arbeiteten, sei | |
unrealistisch, meint die Forscherin: „Die Menschen bleiben ja dieselben.“ | |
Das DIW hat die aktuellen Zahlen mit anderen Berechnungen zu | |
familienpolitischen Ausgaben verglichen, beispielsweise mit dem | |
Ehegattensplitting. Wenn das abgeschafft und das Realsplitting eingeführt | |
würde, ergebe sich ein „ähnlicher Effekt“ wie durch den Rechtsanspruch. | |
Oder anders gesagt: Frauen, die jetzt vom Einkommen ihres Mannes und der | |
staatlichen Subventionierung leben, gingen dann häufiger arbeiten. | |
## Arbeitgeber wartet nicht ewig | |
Im Gegenzug hat das DIW ausgerechnet, wie sich Familien verhalten würden, | |
wenn sie ihren Kitaplatz vollständig selbst bezahlen müssten, also | |
staatliche Zuschüsse wegfielen. Die Erwerbsquote von Frauen würde um 27 | |
Prozent sinken. | |
Susanne Röder empfindet die ersten Tage zurück in der Redaktion fast als | |
Erholung. Sie sagt: „Immer nur Mutter zu sein, das füllt mich nicht aus.“ | |
Die Zeit mit dem Sohn sei schön gewesen. „Aber ich kam nicht einmal dazu, | |
in Ruhe Zeitung zu lesen.“ | |
Außerdem, sagt die quirlige Frau, „wartet mein Arbeitgeber nicht ewig auf | |
meine Rückkehr“. Dabei habe sie gar nicht die Superkarriere im Blick. | |
Sondern einfach ein „ausgefülltes Leben“. Zu dem unbedingt Erwerbsarbeit | |
gehört. | |
Momentan arbeitet Susanne Röder 25 Stunden in der Woche. Morgens ist sie | |
eine der Ersten in der Redaktion. Dann liest sie erst mal in Ruhe Zeitung. | |
6 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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