# taz.de -- Erziehungsforscher über Kita-Ausbau: „Kitas müssen ertragen wer… | |
> Gute Kitas kosten Geld, sagt Nils Diederich. Von Kurzschulungen für | |
> Arbeitslose hält der Forscher nichts, von Einrichtungen in schicken | |
> Villenvierteln viel. | |
Bild: Nicht jeder möchte so viele Kinder-Gummistiefel in seiner Nachbarschaft … | |
taz: Herr Diederich, um den Kitaausbau zu beschleunigen, gibt es die Idee | |
größerer Kitagruppen. Für wie sinnvoll halten Sie das? | |
Nils Diederich: Das kommt auf den Betreuungsschlüssel an. Eine größere | |
Gruppe kann sinnvoll sein, aber nur mit mehreren BetreuerInnen. Die könnten | |
dann innerhalb der Gruppe differenziert und individuell auf Kinder mit | |
unterschiedlichem Entwicklungsstand eingehen. | |
Wie viele Kinder sollte eine Person optimal betreuen? | |
Bei unter dreijährigen Kindern sind zehn bis zwölf Kinder das Maximum. Die | |
ErzieherInnen spielen ja nicht nur mit den Kindern und regen sie zu | |
Beschäftigungen an. Sie müssen manche auch noch windeln und sie aufs | |
Töpfchen setzen. Das erfordert Zeit und Kraft. | |
Es gibt nicht nur zu wenige Kitaplätze, sondern auch zu wenige | |
ErzieherInnen. Wie finden Sie Frau Schröders Idee, Tagesmütter und -väter | |
finanziell zu unterstützen? | |
Die Idee ist gut. Aber ich halte sie nur mit erheblichen Investitionen für | |
machbar, beispielsweise für eine fundierte Ausbildung. Es reicht nicht zu | |
sagen: Da gibt es Mütter, die haben schon ihre eigenen Kinder großgezogen. | |
Also können sie das ohne Weiteres auch noch für andere Kinder mit | |
übernehmen. Personen, die Kinder pädagogisch betreuen, brauchen | |
Erziehungskenntnisse und -fähigkeiten. | |
Ebenso gibt es die Idee, Arbeitslose in Schnellkursen zu ErzieherInnen | |
umzuschulen. | |
Auch hier gilt: Kurzschulungen reichen nicht. Die befähigen allemal für | |
eine Hilfstätigkeit. | |
Könnten Hilfskräfte in einer Übergangsphase eingesetzt werden, bis es | |
genügend ErzieherInnen gibt? | |
Darüber ließe sich nachdenken. Aber das kann man nicht gesetzlich regeln, | |
das muss vor Ort flexibel entschieden werden. So könnten die Hilfskräfte in | |
den Gruppen an der Seite erfahrener ErzieherInnen arbeiten. Parallel dazu | |
könnten sie eine Fachausbildung absolvieren – in einer Art dualer | |
Ausbildung. | |
So könnte man auch größere Gruppen bilden? | |
Das wäre möglich. | |
Sollten sich im Gegenzug auch Eltern, die ja vor allem den Kitaausbau | |
fordern, in ihren Forderungen etwas zurücknehmen? | |
Ja. Aber das ist immer schwierig. Ob Eltern beispielsweise größere Gruppen | |
akzeptieren, hängt in erster Linie von ihrem Vertrauensverhältnis zur Kita | |
ab. Eltern bilden sich mitunter zu schnell Vorurteile, wenn etwas nicht | |
gleich so läuft, wie sie es gern hätten. Da wird dann gleich alles | |
hinterfragt anstatt zu schauen, ob die Kritik gerechtfertigt ist. An dieser | |
Stelle sind wiederum die Kitas gefordert, den Eltern glaubhaft zu | |
versichern, dass ihr Kind in der Einrichtung gut aufgehoben ist. | |
Inzwischen steigt die Zahl von AnwohnerInnen, die Kitas in ihrer | |
Nachbarschaft nicht haben wollen. | |
Es gibt klare Gerichtsurteile, die Kinderkrach nicht als störenden Lärm | |
definieren. Auch in einem Villengebiet darf es also Kitas geben, die müssen | |
ertragen werden – ganz im Sinne der Kinder. | |
30 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
DIW | |
Kita | |
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