| # taz.de -- Pflanzenanbau und Fischzucht: Tomate trinkt gerne Fischwasser | |
| > Die wachsende Erdbevölkerung mit Fisch und Gemüse zu versorgen ist ein | |
| > schwieriges Unterfangen. Eine Lösung könnte Aquaponik sein. | |
| Bild: Satt wird man so nicht: Ein einsamer Barsch | |
| Das Teil sieht unscheinbar aus. Ein kleiner Messinghahn, der im Baumarkt | |
| nicht mehr als 20 Euro kostet. Doch ohne dieses Einwegventil würde die Idee | |
| nicht funktionieren, die unsere Art der Ernährung schon bald | |
| revolutionieren könnte. Die Rede ist von Aquaponik – der Kombination von | |
| Pflanzenanbau und Fischzucht. | |
| Das Prinzip ist so einfach wie genial: Das Abwasser der Fische düngt die | |
| Pflanzen im Gewächshaus. Und die filtern ihrerseits das Wasser und wandeln | |
| das von den Fischen abgegebene Kohlenstoffdioxid wieder in Sauerstoff um. | |
| Auch Wärme und Strom ließe sich doppelt nutzen, ein scheint’s perfekter | |
| Kreislauf. | |
| Und der könnte ein Weltproblem lösen helfen: Die Erdbevölkerung wächst bis | |
| 2050 auf 9 Milliarden, schätzen die UN. Auch deshalb werden die Weltmeere | |
| leer gefischt. Und auch Dünger wie Phosphat werden knapp. | |
| Werner Kloas öffnet die Tür eines Gewächshauses am Berliner Müggelsee und | |
| taucht in feuchtwarme Luft. In den Bottichen, die in drei Reihen angeordnet | |
| sind, schwimmen Tilapien, afrikanische Buntbarsche. Daneben wachsen Tomaten | |
| in Blumenkästen, Pumpen wummern. Kloas, Leiter der Abteilung Ökophysiologie | |
| und Aquakultur des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und | |
| Binnenfischerei, marschiert über Eisengitter, an Eimern, Keschern und | |
| Plastikrohren vorbei. | |
| ## Nahezu emissionsfrei | |
| „Die Integration von Fischzucht und Pflanzenanbau bietet sich wunderbar | |
| an“, sagt der Mann im North-Face-Pulli. „Das ist eine nahezu emissionsfreie | |
| Produktion.“ | |
| Vor fünf Jahren hatte Kloas alle Institutsmitarbeiter zum Kaffee | |
| versammelt, die mit Aquakultur zu tun hatten, also der kontrollierten | |
| Fischzucht. „Warum kommt die Aquakultur in Deutschland nicht auf Zack?“, | |
| fragte er damals in die Runde. „Was wäre eine nachhaltige Lösung?“ Als se… | |
| Kollege Bernhard Rennert davon erzählte, wie er in Großbeeren noch zu | |
| DDR-Zeiten Gurken anbaute und Karpfen züchtete, wusste Kloas die Lösung. Er | |
| schlug vor, Fischzucht und Pflanzenanbau im geschlossenen Gewächshaus zu | |
| kombinieren, um Wärme und CO2 doppelt zu nutzen. | |
| Aquaponik hat eine lange Tradition: In Vietnam und Thailand züchten Bauern | |
| Fische in Reisfeldern, wo sie bis zur Wade im Wasser stehen. In den USA | |
| stellen sich Tüftler Fischbottiche in Hinterhöfe und lassen Salatpflanzen | |
| in den Wasserrinnen wurzeln. Und auf der Ilha de Tinharé im Nordosten | |
| Brasiliens versucht ein früherer Aquaponikstudent die dortige | |
| Fischereikrise zu lösen, indem er Aquaponik einführt. | |
| Kloas Weg ist dennoch neu: Das System ist geschlossen, der Nährstofffluss | |
| wird kontrolliert – und ein Einwegventil verbaut. Das Problem: Fische | |
| benötigen einen pH-Wert von 7, Pflanzen einen von 6. Deswegen hat der | |
| Endokrinologieprofessor an der Humboldt-Uni in Berlin aus einem Kreislauf | |
| zwei gemacht. Und über das Einwegventil ein Filterbecken in der Mitte | |
| zwischengeschaltet, wo sich der pH-Wert steuern lässt. | |
| ## Die Tomate reist 28 Tage | |
| Das Berliner Start-up-Unternehmen Efficient City Farming will das System | |
| nun vermarkten, als Lifestyleprodukt. Etwa für Parkplatzdächer von | |
| Supermärkten, wo die Kunden direkt vor Ort ihren Salat und Fisch kaufen | |
| können. „Die Durchschnittstomate ist 28 Tage unterwegs, das ist totaler | |
| Schwachsinn“, sagt Nicolas Leschke, einer der Unternehmer. | |
| Werner Kloas denkt in eine andere Richtung: In Südländern, wo Wasser knapp | |
| und die Infrastruktur schlecht ist, böte sich Aquaponik an. Eine | |
| automatisierte Anlage wie die seine sei dabei gar nicht nötig: Es genügten | |
| schon drei Regentonnen, ein Hirsefeld, zwei Pumpen und ein Verbindungsrohr. | |
| Und Fische ließen sich in Kiestanks nachzüchten. Ganze Dörfer könnten sich | |
| so autark ernähren und auf teuren Dünger verzichten. Aquaponik als | |
| Entwicklungshilfe. | |
| Aber auch in Deutschland, ist Kloas überzeugt, werde sich Aquaponik | |
| durchsetzen. Mit dem Boom der Biogasanlagen entstünden auch immer mehr | |
| Gewächshäuser, da sie die Abwärme der Biogasanlagen nutzen können. „Noch | |
| schicker“ wäre es, sagt Kloas, wenn man eine Fischzucht anschlösse und so | |
| die Pflanzen selbst düngen könne. | |
| Leschke setzt auf die Stadt, Kloas auf das Land oder die Peripherie von | |
| Städten. Stadtwerke etwa hätten schon angefragt. Derzeit bewirbt sich Kloas | |
| im Rahmen eines EU-Projekts um den Bau einer 600-Quadratmeter-Pilotanlage, | |
| die stärker automatisiert ablaufen soll. | |
| Um den Durchbruch am Markt zu schaffen, muss laut Kloas ein Hindernis noch | |
| abgebaut werden: die „Berührungsängste“ zwischen Pflanzenbauern und | |
| Fischzüchtern. Nur wenige würden die Grenzen ihres Fachs überschreiten. | |
| „Und wer hat schon 10 Millionen Euro locker, um eine Aquaponikanlage | |
| aufzubauen?“, fragt Kloas. Um die Hemmschwelle abzubauen will die | |
| Gärtnerische Fakultät im nächsten Jahr ein Lehrmodul „Aquakultur und | |
| Gartenbau“ einführen. | |
| 20 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Benjamin von Brackel | |
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