# taz.de -- Globale Umweltveränderungen: Menschheitserbe Meer | |
> Schutz und Nutzung der Weltmeere sollten in einem völkerrechtlichen | |
> Vertrag geregelt werden. Das fordert das Beratergremium der | |
> Bundesregierung. | |
Bild: Beim Entladen eines Hochsee-Fischers: Überfischung ist eine der wichtigs… | |
Als Fischgrund geplündert und als Müllhalde missbraucht – die Weltmeere | |
sind in keinem guten Zustand. Verschärfend kommt der wirtschaftliche | |
Wettlauf um die Rohstoffe unter Wasser hinzu; ökologische Katastrophen sind | |
quasi vorprogrammiert. Dem will der Wissenschaftliche Beirat Globale | |
Umweltveränderungen (WBGU) Einhalt gebieten. | |
In seinem neuesten Gutachten plädiert das Beratungsgremium der | |
Bundesregierung dafür, die Ozeane der Erde als ein „gemeinsames Erbe der | |
Menschheit“ zu begreifen und sie unter den Schutz des Völkerrechts zu | |
stellen. Umweltrecht auf höchstmöglichem Niveau. | |
Das „Menschheitserbe Meer“ soll sich nach Vorstellung der Umweltberater auf | |
alle Meereszonen mit Ausnahme des Küstenmeeres erstrecken. „Dadurch könnten | |
die Meere besser geschützt und ihre nachhaltige Nutzung könnte gesichert | |
werden“, erwartet WBGU-Vorsitzender Hanns-Joachim Schellnhuber, der auch | |
das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) leitet. | |
Die Ozeanstudie ist die erste größere Publikation des Ökorates seit dem | |
viel beachteten Gutachten zur „Großen Transformation“ unmittelbar nach dem | |
Fukushima-Desaster 2011. Die dort gemachten Vorschläge für einen | |
umfassenden „Gesellschaftsvertrag“, um eine globale Nachhaltigkeit und die | |
Dekarbonisierung der Wirtschaft zu erreichen, sollen in einem ersten | |
Anwendungsfall nun für die Weltmeere umgesetzt werden. | |
Für zwei Nutzungsfelder werden konkrete Transformationsszenarien | |
entwickelt: die Fischerei und die Meeresenergie. „Überfischung ist eine der | |
wichtigsten Ursachen für die Gefährdung der Meeresökosysteme“, stellt die | |
WBGU-Studie fest. Weil die Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten steigt, | |
holen die Kutter auch immer kleinere Fische aus dem Wasser – die Bestände | |
können sich nicht mehr erneuern. Die Kapazitäten der Fischereiflotten | |
müssten daher „weltweit dringend verringert werden“. Zerstörerische oder | |
verschwenderische Fangmethoden sollten verboten und umweltschonende | |
Verfahren zur Verringerung von „Beifang“ Pflicht werden. Insbesondere müsse | |
auch der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten (IUU-) Fischerei | |
durch bessere Abkommen mit scharfen Kontrollen und Sanktionen ein Riegel | |
vorgeschoben werden. | |
Inzwischen gibt es in einigen Ländern wie Australien und Neuseeland | |
„erfolgreiche Beispiele für nachhaltiges Fischereiwesen“, die zeigen, dass | |
eine Trendwende möglich ist. „Diese Vorbilder gilt es in die Breite zu | |
tragen“, fordern die Gutachter. Der Umstieg auf Aquakultur – wie die | |
boomende Fischzucht in Meeresfarmen – sei nur dann von Ökovorteil, wenn auf | |
Raubfischarten verzichtet wird. Denn deren Futter besteht aus anderen | |
Fischen, die andernorts gefangen werden müssen. Für die Gewinnung von einem | |
Kilogramm Aquakulturfisch sind das bis zu fünf Kilogramm Futterfisch. | |
Nachhaltig ist daher der Umstieg auf pflanzenfressende Fischarten und | |
Muscheln. | |
## Neue Technologien für Meeresenergie | |
Beim Meer als Energieressource sprechen sich die Umweltexperten für eine | |
stärkere Verbreitung von Offshore-Windkraftanlagen, die Entwicklung neuer | |
Meeresenergie-Technologien und für die „langfristige Einstellung der | |
Förderung fossiler Energieträger“ aus. Eindeutig stellt der WBGU ein | |
Stoppschild für die Methanhydrat-Technik auf. Vor allem japanische | |
Ingenieure arbeiten mit Hochdruck an der Nutzung des Erdgases, das in Form | |
schmutziger Eisbrocken auf dem Meeresboden lagert. „Weder für die | |
zukünftige, weltweite klimaverträgliche Energieversorgung noch für die | |
Umbauphase der Energiesysteme sind marine Methanhydrate notwendig“, stellt | |
die WBGU-Studie fest. | |
Die auf dem deutschen Festland gescheiterte CCS-Technik zur unterirdischen | |
Speicherung von Kohlendioxidgas hält der Umweltrat dagegen unter dem | |
Meeresboden für sinnvoll. Mehr Ingenieurseinsatz wird dafür an anderer | |
Stelle gewünscht, etwa bei der Offshore-Bioenergiegewinnung mithilfe von | |
Algen. Diese regenerative Energietechnik habe zwar heute noch keine große | |
Bedeutung, „die Potenziale scheinen jedoch erheblich zu sein“. Für das | |
globale marine Energiesystem der Zukunft könnten „sogenannte | |
Multi-Use-Plattformen ökonomische und ökologische Vorteile bieten, denn sie | |
verbinden die Erzeugung mit der Speicherung nachhaltiger Energie“. | |
Für die Stromversorgung an Land könnte auch der WBGU-Vorschlag eines | |
„marinen Hochleistungsnetzes (Supergrid)“ von Bedeutung sein. Gemeint ist | |
damit ein Offshore-Stromnetz, das verschiedene Energieerzeugungsanlagen im | |
Meer untereinander sowie verschiedene Länder miteinander verbindet. Der | |
Vorteil des Supergrid laut Studie: „Es erleichtert die Integration | |
fluktuierender Stromerzeuger durch die Glättung der Erzeugungsleistung und | |
reduziert dadurch den Speicherbedarf.“ Mit dem Aufbau eines Offshore-Netzes | |
in der Nordsee sollte daher schnellstmöglich begonnen werden. | |
Vielleicht am wichtigsten für die Nachhaltigkeit der Weltmeere dürften die | |
juristischen und politischen Rahmenbedingungen sein, die der WBGU | |
vorschlägt. Erster Schritt ist die Reform des UN-Seerechtsübereinkommens – | |
eines schon bestehenden internationalen Vertrags, der als eine Art | |
„Verfassung der Meere“ fungiert. Allerdings fehle es häufig „an der | |
konsequenten Umsetzung der vereinbarten Regelungen“. Fehlverhalten werde | |
nicht ausreichend verhindert und sanktioniert. | |
Mittelfristig wird auf Ebene der Vereinten Nationen die Gründung einer | |
Weltmeeresorganisation (World Oceans Organisation, WOO) und entsprechender | |
regionaler Institutionen für ein „nachhaltiges Meeres-Management“ | |
empfohlen. | |
15 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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