# taz.de -- Erneuerbare Energien: Abkehr von der Wende | |
> Auch 2014 wird die Umlage für erneuerbare Energien steigen und damit der | |
> Strompreis. Eine Quotenregelung soll das Problem beheben. | |
Bild: Strom wird immer teurer. Schuld daran soll die Energiewende sein. | |
BERLIN taz | Manchmal gibt es in der Politik seltsame Momente der | |
Offenheit, und Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes der | |
Erneuerbaren Energien (BEE), sorgte kürzlich für einen: „Wir haben in | |
Sachen Photovoltaik einen Fehler gemacht. Die Belastung ist zu Recht | |
kritisiert worden. Wir haben lobbyiert und hätten es nicht in der Form tun | |
sollen“, sagt er am Rande einer Tagung des Handelsblatts zu erneuerbaren | |
Energien. | |
Wenn der oberste Lobbyist erneuerbarer Energien freiwillig eigene Fehler | |
einräumt, dann vielleicht deshalb: Nach der Bundestagswahl geht es der | |
Energiewende, wie wir sie bisher kennen, gewissermaßen an den Kragen. Jetzt | |
geht es um Glaubwürdigkeit der eigenen Konzepte. Da hilft es vielleicht, | |
Selbstkritik zu üben. | |
Einen besonders radikalen Vorschlag wird diese Woche die Monopolkommission | |
vorlegen, ein von der Bundesregierung eingesetztes Beratergremium, das auch | |
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) unterstützt: Stromproduzenten | |
bekommen demnach künftig vorgeschrieben, einen bestimmten Mindestanteil an | |
Grünstrom vorweisen zu müssen, der allmählich steigt. | |
Woher der Strom kommt, entscheiden die Unternehmen selbst. Das Kalkül: Der | |
Markt sorgt dafür, dass erneuerbare Energien dort produziert werden, wo es | |
am günstigsten ist. „Das Quotenmodell, das da jetzt mal wieder diskutiert | |
wird, ist das Modell für Großkonzerne. Für einen dezentralen Ausbau der | |
erneuerbaren Energien mit hoher Bürgerbeteiligung ist das EEG essenziell“, | |
schimpft BEE-Präsident Schütz über die Idee, für die der Ökonom Justus | |
Haucap, Vorsitzender der Monopolkommission, seit Jahren kämpft. | |
## „Weniger vom Teuersten“ | |
Er kontert: „Mit einem Quotenmodell wäre die Offshore-Windkraft vermutlich | |
Makulatur, weil sie viel zu teuer ist. Es begünstigt also nicht die großen | |
Energieversorger, im Gegenteil. Offshore wird das nächste Solar, wenn wir | |
nicht aufpassen.“ Dass Photovoltaikanlagen nicht mehr so attraktiv wären, | |
räumt Haucap ein. „Aber das ist auch Sinn der Sache: Wir wollen weniger vom | |
Teuersten“, sagt er. Er glaubt, dass Solarenergie mittlerweile günstig | |
genug ist, um auch ohne EEG eine Chance zu haben. | |
Allerdings stößt das Modell auf wenig Gegenliebe. Verbraucherschützer | |
kritisieren eine mögliche Quotenregelung. „Eine Mengensteuerung, wie eine | |
Quote es versucht, bringt sicher mehr Planung, aber sie birgt das Risiko, | |
dass die Preise steigen“, sagte Energieexperte Niels Schnoor vom | |
Bundesverband der Verbraucherzentralen. | |
Das Risiko der Betreiber, die keine feste Vergütung mehr erhalten, werde | |
erwartungsgemäß auf die Verbraucher gewälzt, fürchtet er. Hauke Hermann, | |
Energieexperte am Ökoinstitut, kritisiert: „Durch eine Quote wird der Strom | |
zwar da erzeugt, wo es für die Unternehmen am billigsten ist, aber eben | |
nicht für das Gesamtsystem, das auch noch Netze und Speicher umfasst“, sagt | |
er. Aber selbst das Ökoinstitut arbeitet derzeit an einem Modell, die fixe | |
EEG-Vergütung umzubauen. | |
Eins scheint klar: Windräder aufstellen, Solarzellen aufs Dach pflanzen und | |
dafür 20 Jahre ohne Marktrisiken Geld verdienen, das wird es in der | |
heutigen Form bald nicht mehr geben. Mit rund 20 Milliarden Euro fördern | |
meist private Haushalte und mittelständische Industrie den Ökostromausbau | |
über die Umlage, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorsieht. | |
Nächstes Jahr wird sie weiter steigen, seit Monaten kursieren verschiedene | |
Zahlen dazu, jüngst im Spiegel: Demnach rechnet die Bundesregierung mit bis | |
zu 6,5 Cent pro Kilowattstunde. | |
## Wer soll die Energiewende bezahlen? | |
In den Programmen zur Wahl reichen die Vorschläge von EEG-Reformen von | |
„mehr Markt“ (FDP), „neu organisieren“ (Grüne), „erfolgreich in den … | |
integrieren“ (SPD), die CDU will „besser verzahnen“, die Linke „erhalte… | |
Und über allem steht die Frage: Wer soll die Energiewende bezahlen? | |
Die Beantwortung dieser Frage geht weiter als die oft diskutierten | |
Strompreisbremsen. Das aktuell drängende Problem bei der steigenden | |
EEG-Umlage ist nicht wie früher etwa der Ausbau der Photovoltaik, den | |
größten Brocken macht die Strombörse aus: Dort sind die Preise auf einem | |
historischen Tiefstand, weil die geförderten erneuerbaren Energien in | |
Kombination mit billigem Kohlestrom für ein Überangebot sorgen. | |
Dadurch erlöst auch der Grünstrom weniger Geld und muss höher gefördert | |
werden. Der zweitgrößte Brocken ist die erweiterte Ausnahmeregelung, die | |
Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, was die Kosten für alle anderen | |
hochtreibt. All das lässt sich kurzfristig flicken – ändert aber nichts am | |
grundsätzlichen Problem: Wie können erneuerbare Energien, Stromnetz, | |
Speicher und fossile Kraftwerke so verzahnt werden, dass die Kosten fair | |
verteilt werden? | |
3 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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