# taz.de -- Familienkonzept der Piratenpartei: Nur die Liebe zählt | |
> Schluss mit Vater-Mutter-Kind. Die Piraten sind die einzige Partei, die | |
> den gängigen Begriff von Ehe und Familie vollkommen auf den Kopf stellt. | |
Bild: Die Piraten halten an der Liebe fest | |
BERLIN taz | Am Montagabend hatten die Piraten ein gutes Gefühl. Kanzlerin | |
Merkel schwurbelte in der ARD-Wahlkampfarena, dass sie beim Adoptionsrecht | |
für Homosexuelle unsicher sei. Das gute Gefühl der Piraten zu Wochenbeginn | |
kommt daher, dass ihre Partei bei dieser Frage nicht unsicher ist: | |
„Relevant ist nur die Liebe“, sagt Lena Rohrbach. | |
Damit meint die Familienpolitikexpertin der Piraten und | |
Bundestagskandidatin in Berlin, dass der Partei egal sei, ob jemand homo-, | |
hetero-, bi- oder transsexuell ist. Ginge es nach den Piraten, würde auch | |
im Personalausweis bald nicht mehr stehen, ob jemand eine Frau, ein Mann | |
oder irgendwas dazwischen ist. | |
Das gute Gefühl kommt auch, weil die Piraten glauben, dass „Menschen heute | |
vielfältig füreinander Verantwortung übernehmen“: als Homo-Paare und | |
Patchworkfamilien, als Alleinerziehende, sogenannte Wahlverwandtschaften | |
und in WGs. Es gibt auch Kinder, die mehr als zwei Elternteile haben, sagt | |
Rohrbach: „Die wollen wir alle unterstützen.“ | |
Die Piraten sind die einzige Partei, die den Ehe- und Familienbegriff | |
vollkommen auf den Kopf stellt. Alles ist erlaubt, was einem selbst und | |
anderen guttut. Weg mit der Idee, es gebe nur Ehe und | |
Vater-Mutter-Kind-Spiel, her mit dem freien Leben, egal mit wem, mit wie | |
vielen und wie lange. Darüber wollen die Piraten am Mittwoch noch einmal | |
reden, in ihrer Wahlkampfzentrale in Berlin-Lichtenberg. | |
Versteckt zwischen 50er-Jahre-Platten aus den Zeiten der DDR und kantigen | |
Neubauten aus der Nachwendezeit, steht eine flache Lagerhalle. Darin | |
verkaufte bis vor ein paar Monaten ein Discounter billige Lebensmittel. | |
Manchmal kommen Leute vorbei, die den Wechsel nicht mitgekriegt haben, und | |
wundern sich: „Ich wollte hier Brot kaufen.“ | |
Drei Minuten bevor die Pressekonferenz losgeht, testet eine Mitarbeiterin | |
der Pressestelle die Mikros: „Bin ich gut zu verstehen?“ Ein großer, | |
schwarzer Hund streunt durch die Halle, an den Wänden stapeln sich | |
Wahlplakate und Papier. Es gibt Wasser und Club-Mate. Als Lena Rohrbach auf | |
dem Podium ihren ersten Satz sagt, klatscht das Plakat vor ihr auf den | |
Boden. | |
## Weiter als Frankreich | |
De Partei liegt in aktuellen Umfragen derzeit bei 3 Prozent, der Einzug in | |
den Bundestag ist also alles andere als sicher. „Wenn wir den Sprung | |
schaffen“, sagt Rohrbach, Kandidatin auf Listenplatz 3, „wollen wir Pacs | |
aus Frankreich grob übernehmen.“ Pacs (Pacte civil de solidarité), das ist | |
der sogenannte Zivile Solidaritätspakt, mit dem die Franzosen 1999 der Ehe | |
Konkurrenz gemacht und Schwulen und Lesben das Heiraten ermöglicht haben. | |
Das schlug damals ein wie eine Bombe; seitdem wurde auch in Deutschland | |
über die Homo-Ehe debattiert. | |
Die Piraten gehen aber weiter, als es das französische Modell für zwei | |
Personen vorgibt. „Das sollen auch mehr als zwei Personen machen können“, | |
meint Rohrbach: „Zum Beispiel polyamouröse Beziehungen.“ Anders formuliert: | |
Wer mehr als einen Menschen liebt und für jeden von ihnen sorgen will, soll | |
sich das notariell beglaubigen lassen können: So soll ein Besuchsrecht im | |
Krankenhaus erlaubt sein, und nach dem Tod eines Partners sollen der oder | |
die anderen in der gemeinsamen Wohnung bleiben dürfen. Homosexuelle sollen | |
ein uneingeschränktes Adoptionsrecht bekommen. | |
„Uns geht es um die Anerkennung vielfältiger Lebensformen, sagt Michael | |
Melter, bei den Piraten zuständig für queere Themen. „Mit Geld hat das erst | |
mal wenig zu tun.“ Die Sache mit dem Geld soll anders geregelt werden: | |
Ehegattensplitting und Betreuungsgeld abschaffen, Kindergrundeinkommen und | |
Bildungsgrundeinkommen einführen. | |
Wie hoch die Grundeinkommen genau sein sollen, kann die Partei jetzt noch | |
nicht sagen. Lena Rohrbach nennt vage Zahlen: 580 Euro jeden Monat für | |
jedes Kind und 850 Euro für Bildungshungrige. | |
Diese Zahlen haben allerdings andere ausgerechnet, zum Beispiel das Bündnis | |
Kindergrundsicherung und die Grünen. | |
11 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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