# taz.de -- Grüne und Pädophilie: Programmlücken gefüllt | |
> Noch Mitte der 80er plädierten die Göttinger Grünen dafür, Sex mit | |
> Schutzbefohlenen zu legalisieren. Da hätten sie es schon besser wissen | |
> müssen. | |
Bild: Jürgen Trittin (hinten rechts) und die grüne Fraktion, so wie sie ab 19… | |
BERLIN taz | Die unselige Geschichte klingt wie zu Ende erzählt: Unbedacht | |
nahm die Alternative-Grüne-Initiativen-Liste (AGIL) in ihr Göttinger | |
Kommunalwahlprogramm eine Passage mit pädophilenfreundlichen Forderungen | |
auf. Das war 1981. Ein Unfall in den wilden Gründungsjahren, der 30 Jahre | |
später den Bundestagswahlkampf des Spitzenkandidaten Jürgen Trittin | |
überschattet. Mehr aber auch nicht. Doch es gibt noch eine | |
Fortsetzungsepisode. | |
Fünf Jahre später traten die Göttinger Grünen erneut mit einem Programm an, | |
dessen Kapitel „Schwule & Lesben“ einschlägige Forderungen enthält. Die | |
AGIL war inzwischen mit der konkurrierenden Grünen Liste Göttingen (GLG) | |
zusammengegangen – zur Kommunalwahl gingen die Wählergemeinschaften als | |
Grün-Alternative Liste (GAL) ins Rennen. | |
Im Auftrag der Grünen untersuchen die Politologen Franz Walter und Stephan | |
Klecha derzeit die pädophile Vergangenheit der Grünen. Dafür blätterte | |
Klecha auch das GAL-Programm von 1986 durch und staunte: Anders als 1981 | |
enthält es zwar nicht mehr die Forderung nach Abschaffung des Paragrafen | |
176 StGB, der Sex zwischen Erwachsenen und Kindern unter Strafe stellt. | |
Andere Ziele hielt die GAL aber aufrecht: Der Paragraf 174 sollte geändert | |
werden. Er untersagt sexuelle Handlungen mit Schutzbefohlenen, zum Beispiel | |
mit Jugendlichen also, die einem Erwachsenen zur Erziehung, Ausbildung oder | |
Betreuung anvertraut sind. Die GAL forderte auf Seite 27 des Programms: Sex | |
von Erwachsenen mit Schutzbefohlenen dürfe nur noch bei „Anwendung oder | |
Androhung von Gewalt oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses unter | |
Strafe gestellt werden“. | |
## „Kindersexskandal“ von 1985 | |
Aus Sicht des Politologen Klecha ein bemerkenswerter Satz: Schließlich | |
waren die Grünen 1985 in Nordrhein-Westfalen mit ihrem „Kindersexskandal“ | |
überregional in die Kritik geraten. Auch in Göttingen hätte die Parteibasis | |
also 1986 bereits „besonders sensibilisiert“ sein müssen, urteilt Klecha. | |
Im Gegensatz zum Wahlprogramm 1981 wird in jenem aus dem Jahr 1986 keine | |
Schlussredaktion und kein Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes | |
(V.i.S.d.P.) mehr genannt. Auch die Homosexuelle Aktion Göttingen, die im | |
Programm 1981 das entsprechende Kapitel unterzeichnet hatte, taucht nun | |
nicht mehr auf. | |
Trittin teilte auf taz-Anfrage mit, er habe 1985 den „Rücknahme-Beschluss | |
aus NRW“ zur Pädophilie-Frage „als eine notwendige Klärung und Korrektur | |
empfunden“. Ob es 1986 überhaupt Debatten über die strittige Position im | |
Göttinger Kommunalprogramm gab, könne er aus seiner Erinnerung nicht sagen. | |
## Trennung von Amt und Mandat | |
Der heutige Spitzenkandidat war damals bereits in den niedersächsischen | |
Landtag eingezogen und Fraktionschef in Hannover geworden. Ob er damals | |
noch eine Funktion in der Göttinger GAL hatte? „Nein“, versichert Trittin. | |
Er hätte auch gar nicht gedurft – denn die Grünen verfochten damals noch | |
das Prinzip der Trennung von Amt und Mandat. Trittin blieb in Göttingen | |
trotzdem eine wichtige politische Figur – ein politischer Weggefährte aus | |
seinem Wahlkreis nennt ihn eine „graue Eminenz“. | |
Wie aber fand diese Forderung ein zweites Mal ins Göttinger | |
Kommunalprogramm? Matthias Brachmann, seit mehr als 30 Jahren eine wichtige | |
Figur in der Göttinger Kommunalpolitik und Fraktionsgeschäftsführer im | |
Kreistag, hat darauf keine konkrete Antwort. Es könnte sein, vermutet er, | |
„dass Programmlücken mit alten Versatzstücken gefüllt wurden“. Klecha | |
bezweifelt diese Begründung. Der Abschnitt im Wahlprogramm 1986 habe „eine | |
andere Intention als der 1981“ und es gehe „um unterschiedliche | |
Paragrafen“. | |
18 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
## TAGS | |
Grüne | |
Pädophilie | |
Göttingen | |
Trittin | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Reformpädagogik | |
Pädophilie-Debatte | |
Schwerpunkt Volker Beck | |
Schwerpunkt Volker Beck | |
Grüne | |
Grüne | |
Grüne | |
Grüne | |
Pädophilie-Debatte | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sexuelle Gewalt: Kulturgeschichte der Übergriffigkeit | |
Revolutionäre Bewegungen wie die Wandervögel und die 1968er begünstigten | |
Missbrauch, schreibt der Journalist Christian Füller. | |
Pädophilie-Diskussion in der FDP: Liberale Liebesfantasien | |
Die Abschaffung des Paragrafen 176 wurde auch von Jungdemokraten gefordert. | |
Von den damals Beteiligten ist niemand mehr in der FDP. | |
Kommentar Volker Beck: Glaubwürdigkeit verspielt | |
Über einen Beitrag zur Pädophilie hat Volker Beck die Öffentlichkeit bis | |
zuletzt getäuscht. Sich und den Grünen fügt er damit maximalen Schaden zu. | |
Vorwürfe gegen Grünen Volker Beck: Die große Manipulation | |
Der Grüne Volker Beck hat über einen Aufsatz zum Thema Pädophilie aus dem | |
Jahr 1988 nicht die Wahrheit gesagt. Er selbst bleibt uneinsichtig. | |
Debatte Grüne und Pädophilie: Trittin am Pranger | |
Franz Walter betreibt die Aufarbeitung der Grünen-Geschichte als | |
Kriminalwissenschaft. Mit historischer Forschung hat das wenig zu tun. | |
Grüne und Pädophilie: Aufklärer gegen Partei | |
Eine eigene Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt wollen die Grünen | |
nicht. Sie schlagen den Politologen Walter als Opferberater vor. Doch der | |
lehnt ab. | |
Kommentar Pädophilie-Debatte: Kulturkampf von rechts | |
Konservative nutzen die Pädophilie-Debatte, um den Grünen mit drastischen | |
Unterstellungen vor der Wahl zu schaden. Die Fakten werden ignoriert. | |
Grüne und Pädophilie: Abkehr von der falschen Liberalität | |
Die Grünen hätten ihr Verhältnis zur Pädophilie im Jahr 1989 korrigiert, | |
sagt Jürgen Trittin. Damals traf sich der Bundeshauptausschuss in Bonn. | |
Kommentar Pädophilie-Debatte: Die grüne Strategie ist gescheitert | |
Jürgen Trittin hat zu den pädophilen Verstrickungen der Grünen endlich | |
deutliche Worte gefunden. Es ist eine Zäsur, die zu spät kommt. | |
Grüne kämpfen mit der Geschichte: Ein anrüchiges Kapitel | |
Göttinger Grüne wollten 1981 Straffreiheit für Pädophile. Was heute | |
Trittins politische Existenz gefährdet, kam ohne viel Nachdenken ins | |
Programm. | |
Jürgen Trittin und die Pädophilie-Debatte: Freunde und Feinde | |
Katrin Göring-Eckard verteidigt ihren Kollegen Jürgen Trittin gegen | |
Vorwürfe, er sei für die Straffreiheit von Pädophilen eingetreten. Die CDU | |
fordert dessen Rücktritt. |