# taz.de -- Grüne und Pädophilie: Aufklärer gegen Partei | |
> Eine eigene Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt wollen die Grünen | |
> nicht. Sie schlagen den Politologen Walter als Opferberater vor. Doch der | |
> lehnt ab. | |
Bild: Nicht doch: Etwas Grünes wird erst rot und lässt dann den Kopf hängen. | |
BERLIN taz | Der Göttinger Politologe Franz Walter arbeitet im Auftrag der | |
Grünen deren Verbindungen zur Pädophilenszene auf. Nun soll er offenbar | |
auch noch Opfer beraten. Die Einrichtung einer professionellen | |
Beratungsstelle oder Telefonhotline hatten die Grünen bisher einhellig | |
abgelehnt. | |
Betroffene könnten sich doch an Franz Walter und seine Mitarbeiter wenden – | |
diesen Vorschlag äußerten in den letzten Tagen führende Bündnisgrüne, | |
darunter Claudia Roth und Jürgen Trittin. | |
Ein Politikwissenschaftler als Missbrauchsbeauftragter? Professionelle | |
Opferberater halten von dieser Idee nicht allzu viel. Johannes-Wilhelm | |
Rörig, seit Dezember 2011 Unabhängiger Missbrauchsbeauftragter der | |
Bundesregierung, findet den Vorschlag „problematisch“. Ein Politologe, so | |
tüchtig er auch sein möge, könne den Interessen von Missbrauchsopfern nicht | |
gerecht werden. | |
Wenn man Betroffenen die Möglichkeit gebe, über ihr Leid zu sprechen, dann | |
müssten unbedingt fachkundige Ansprechpartner mit dieser sensiblen Aufgabe | |
betraut werden. „Es kann gut möglich sein, dass Betroffene zum ersten Mal | |
über das sprechen, was ihnen in ihrer Kindheit widerfahren ist“, sagte | |
Rörig der taz. „Da braucht man einen Profi, der Betroffene bei Bedarf | |
psychologisch stabilisieren kann.“ | |
In der telefonischen Anlaufstelle des Missbrauchsbeauftragten, die bislang | |
16.500 Gespräche geführt hat, sitzen 23 Fachkräfte, allesamt ausgebildete | |
Psychologen, Psychotherapeuten und Mediziner. Sie arbeiten nach streng | |
definierten Kriterien. „Betroffene müssen sich absolut darauf verlassen | |
können, dass die Festlegung zur Anonymisierung und zum Datenschutz | |
jederzeit eingehalten werden“, sagt Rörig. Nur wenn von vornherein klar | |
sei, was mit den Berichten von Betroffenen geschehen darf und was nicht, | |
könne man von einem opfersensiblen Umgang sprechen. | |
## Problem einfach auslagern? | |
Franz Walter selbst ist wütend über den Versuch seiner Auftraggeber, ihm | |
neben der Sichtung der Archive nun auch noch die Konfrontation mit Opfern | |
aufzubürden. „Meine Mitarbeiter und ich sind fachlich nicht qualifiziert, | |
uns um solche Schicksale zu kümmern“, sagt der Politologe. Eigentlich hatte | |
das Göttinger Team vorgehabt, sich durch Psychologen schulen zu lassen – | |
für den Fall, dass sie bei ihren Recherchen auf Opfer stoßen. Auf solche | |
Gespräche wollte man sich vorbereiten, um traumatisierten Menschen | |
angemessen begegnen zu können. | |
Nun fühlen sie sich überrumpelt vom grünen Führungspersonal, das sie | |
öffentlich als Beratungsinstanz empfohlen hat: „Wir sind noch nicht so | |
weit“, sagt Walter und berichtet von mehreren Briefen und E-Mails, die | |
bereits eingingen. Nur einer der Hinweise führe bisher direkt in die | |
Partei. Er liege erst einmal zur weiteren Bearbeitung auf dem Stapel, bis | |
man sich mit den Grünen geeinigt habe. Für Walter jedenfalls ist klar: „Wir | |
wollen weder Beratungs- noch Anlaufstelle sein. Da müssen die Grünen schon | |
selbst Verantwortung übernehmen.“ | |
Wie aber sollen es die Grünen halten mit der Opferberatung. Sollte die in | |
der Partei angesiedelt sein? Oder lieber außerhalb? Hier sind sich die | |
Experten uneins: Rörig fordert die Einrichtung einer neutralen, | |
bundesweiten Beratungsstelle, die Institutionen berät, wenn sie sich mit | |
aktuellen oder weiter zurückliegenden Missbrauchsfällen konfrontiert sehen. | |
## „Merkwürdiger“ Vorschlag | |
Adrian Koerfer, Vorsitzender des Vereins Glasbrechen e.V., in dem sich | |
Missbrauchsopfer aus der Odenwaldschule organisiert haben, hält es für | |
überfällig, dass die Grünen eine Anlaufstelle für Betroffene sexueller | |
Gewalt einrichten. Es sei erwiesen, dass es auch im grünen Milieu Opfer | |
gebe, sagt Koerfer. Er ist sich sicher: „Wenn es eine Anlaufstelle gibt, | |
werden sich auch Leute melden.“ Einen Politologen wie Walter für diese | |
Aufgabe vorzuschlagen, nennt er „merkwürdig“. | |
Warum die Partei das Problem auslagern will, versteht Koerfer nicht. Er | |
will sich jetzt mit einem eigenen Vorschlag an die Grünen wenden: Mit der | |
Familienpolitikerin Ekin Deligöz verfügten die doch bereits über eine | |
Fachfrau: Deligöz vertrat die Grünen beim Runden Tisch Kindesmissbrauch. | |
Die Abgeordnete selbst sagt, sie könne allenfalls politisch unterstützend | |
wirken. Betroffene seien am Besten bei ausgebildeten Fachkräften aufgehoben | |
– zum Beispiel beim Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten. | |
18 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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