# taz.de -- Ausspäh-Affäre: Anwalt unter Beobachtung | |
> Niedersachsens Verfassungsschutz führte Akten über den Anwalt Sven Adam. | |
> Der vertritt Reporter, die sich gegen Überwachung durch den Geheimdienst | |
> wehren. | |
Bild: Geheimdienste wollen viel mitbekommen: In Niedersachsen interessierte den… | |
HAMBURG taz | Der niedersächsische Verfassungsschutz hat erneut einen | |
Rechtsbruch eingeräumt. Bei einer nichtöffentlichen Sitzung des | |
Landtagsausschusses für Verfassungsschutzfragen am Freitag vergangener | |
Woche wurde bekannt, dass der Göttinger Anwalt Sven Adam bespitzelt wurde. | |
Der Betroffene ist empört. „Es ist schon beachtlich, mit welcher | |
Selbstverständlichkeit diese Behörde rechtsstaatliches Terrain verlassen | |
hat“, sagt Adam. | |
Seit dem 18. September ist bekannt, dass der niedersächsische | |
Inlandsgeheimdienst zu mindestens sieben Journalisten Daten sammelte und | |
Akten führte. Eine rechtliche Grundlage lag dafür nicht vor, wie | |
Innenminister Boris Pistorius und die Verfassungsschutzpräsidentin Maren | |
Brandenburger (beide SPD) einräumen mussten. | |
Nun muss der Verfassungsschutz erneut zugeben, ein weiteres Mal | |
Informationen über eine Person gesammelt zu haben, die einer gesetzlich | |
besonders geschützten Berufsgruppe angehört: Rechtsanwälte und Journalisten | |
gehören zu den sogenannten Berufsgeheimnisträgern. | |
Die Fachabteilung Linksextremismus des niedersächsischen | |
Verfassungsschutzes soll über Jahre Daten von Adam gesammelt haben. Der | |
genaue Inhalt und der konkrete Zeitraum seien noch nicht bekannt, sagt | |
Adam. Er betont, dass er sich nichts vorzuwerfen habe. Er hat aber eine | |
Idee, warum der Geheimdienst trotzdem an ihm Interesse gehabt habt haben | |
könnte: „Ich denke, dass meine anwaltlichen Tätigkeiten bei Demonstrationen | |
gegen den Castor-Transporter oder gegen die rechtsextremen Aufmärsche in | |
Bad Nenndorf das Interesse des Verfassungsschutzes geweckt haben könnten.“ | |
Die illegale Bespitzelung von Adam ist politisch besonders brisant, denn | |
Adam vertritt Journalisten, die sich gegen eine Überwachung durch den | |
Geheimdienst wehren. Dazu gehören etwa Kai Budler und Andrea Röpke – auch | |
über sie führte der Verfassungsschutz Akten. | |
Die Unterlagen über die Rechtsextremismusexpertin Röpke, die auch für die | |
taz schreibt, hatte die Behörde gelöscht, nachdem Adam angefragt hatte, ob | |
sie Informationen über seine Mandantin sammele. Der Verfassungsschutz hatte | |
Röpke zunächst mitgeteilt, es existierten keine Akte über sie. Röpke hatte | |
vergangene Woche Strafanzeige gegen die Geheimdienstmitarbeiter wegen | |
Urkundenunterdrückung gestellt – ausgefertigt von ihrem Anwalt Adam. | |
Kai Butler klagt vor den Verwaltungsgerichten in Göttingen und Hannover | |
gegen die Überwachung durch den Verfassungsschutz und Adam ist sein Anwalt | |
in diesem Verfahren. | |
Der Spiegel berichtet unterdessen in seiner aktuellen Ausgabe, dass weitere | |
sieben Journalisten vom niedersächsischen Verfassungsschutz überwacht | |
wurden. „Den Bericht können wir so nicht bestätigen“, sagt Sprecher Frank | |
Rasche. Allerdings könne er es auch „nicht ausschließen“, dass Daten über | |
weitere Journalisten erfasst wurden. | |
Doch Rasche weist auch darauf hin, dass es legal sein kann, dass der | |
Geheimdienst Journalisten oder Anwälte beobachtet: „Wenn bei einer Person | |
Anhaltspunkte für eine extremistische oder terroristische Tätigkeit | |
vorliegen, sammelt und speichert der Verfassungsschutz Informationen zu | |
dieser Person – unabhängig von ihrem Beruf.“ | |
Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein e. V. (RAV) verlangt von | |
der Landesregierung, den betroffenen Rechtsanwalt umfassend zu informieren. | |
Die Datenbestände aus der Zeit des früheren Innenministers Uwe Schünemanns | |
(CDU) seien zudem daraufhin zu prüfen, ob weitere Anwälte betroffen sind, | |
fordert RAV-Vorsitzender Martin Heiming. | |
Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, die Arbeit der | |
Verfassungsschützer grundlegend prüfen zu wollen: Alle zu rund 9.000 | |
Personen in Niedersachsen gespeicherten Datensätze sollten überprüft | |
werden. | |
30 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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