# taz.de -- Rohstoffförderung in Libyen: Besetzer drehen den Ölhahn zu | |
> Aktivisten der Minderheit der Amazigh legen die Pipeline eines | |
> italienischen Konzerns lahm. Damit verstärken sich die Proteste gegen | |
> Ölfelder im Land. | |
Bild: Blockiert: das Gelände des Öl- und Gasrkonzerns ENI. | |
ZUWARA taz | Es war ein verschlafener Sonntagmorgen vor zehn Tagen, als das | |
politische Chaos in Libyen auch Italien traf. Unbemerkt von den Wachen | |
enterten 50 Männer das Gelände des italienischen Öl- und Gasriesen ENI in | |
der Nähe des Hafenstädtchens Zuwara. | |
Bewaffnete Aktivisten der Amazigh-Minderheit (Berber) baten die | |
ENI-Angestellten freundlich, aber bestimmt, die 400 Kilometer lange | |
Gas-Pipeline zum nördliche Nachbarn zu schließen. Damit hat Libyen seinen | |
Öl- und Gasexport, die Haupteinnahmequelle, praktisch eingestellt. | |
„Wir kämpfen für die Verankerung unserer Minderheitenrechte in der | |
zukünftigen Verfassung“, sagt Ayoob Sufyan, Sprecher der Amazigh-Aktivisten | |
aus Zuwara, 110 Kilometer westlich von Tripolis. „Weil seit Monaten niemand | |
mit uns sprechen will, mussten wir vor der Wahl der Verfassungskommission | |
im Dezember zu dem allerletzten Mittel greifen.“ Die Amazigh fordern unter | |
anderem die Anerkennung ihrer bislang offiziell verbotenen Sprache. | |
ENI-Angestellte auf dem Gelände winken auf Fragen ratlos ab. Ein Viertel | |
der Gasversorgung Italiens pumpen sie normalerweise durch die Pipeline. | |
## Bodenschätze als Druckmittel | |
Bis jetzt waren die ausländischen Ölkonzerne Teil einer libyschen | |
Erfolgsgeschichte. In Rekordzeit fuhren kurz nach der Revolution 2011 | |
libysche Fachleute zusammen mit ENI, Wintershall und Repsol die Öl- und | |
Gasexporte auf das Vorkriegsniveau hoch. Mit der Polarisierung der | |
politischen Lager im Sommer haben Libyens Milizen, Stämme und andere | |
Interessengruppen die Bodenschätze jedoch als Faustpfand für ihre | |
Forderungen für sich entdeckt. | |
So blockierten beispielweise ehemalige Rebellen, die während des Krieges | |
verletzt wurden, am Dienstag den Zugang zu der Ölraffinerie Zawiya bei | |
Tripolis. Sie forderten medizinische Behandlung. Nach einer Vereinbarung | |
mit der Raffinerie beendeten sie am Mittwoch ihr Sit-In. | |
Bereits seit dem Sommer besetzt die Föderalistenbewegung von Ibrahim Jatran | |
in der östlichen Cyreneika-Provinz mehrere Ölhäfen. Jatran rief in Ras | |
Lanuf sogar die Autonomie der Cyreneika aus und stellte vor Kurzem eine | |
20-köpfige Regierungsmannschaft vor. Er hat eine Allianz einflussreicher | |
Stämme gegen Tripolis geschmiedet. Nun bereitet er den eigenständigen, aber | |
nach internationalem Recht illegalen Öl-Export vor. | |
## Pässe gegen Staatenlosigkeit | |
## | |
In der Sahara-Provinz Fezzan haben Tuareg-Aktivisten das Sharara-Ölfeld bei | |
Ubari besetzt. Den verdatterten Wachen präsentierten sie die Genehmigung | |
des örtlichen Polizeichefs. Viele libysche Tuareg sind offiziell | |
staatenlos, nun wollen sie mit der Besetzung eines der größten Ölfelder | |
Afrikas ihrer Forderung nach libyschen Pässen Nachdruck verleihen. Wie | |
bisher überall, verlief auch die Besetzung Shararas unblutig. Der | |
Kommandeur der Ölwachen von der Minderheit der Tobu lehnte es ab, Gewalt | |
einzusetzen. | |
Bei der ENI ist es ein offenes Geheimnis, dass man sich nach | |
Alternativstandorten in Algerien oder Russland umschaut. Auch in Spanien | |
macht man sich Sorgen. Das Sharara-Ölfeld wird von der spanischen Repsol | |
mit betrieben. Regierungschef Ali Seidan hat den Besetzern eine Frist bis | |
zum 20. November gesetzt, ihre Aktionen zu beenden. | |
„Vielleicht ist diese Eskalation ein Weckruf für die internationale | |
Gemeinschaft, die Libyen viel zu lange unbeachtet ließ, nur weil es ein | |
reiches Land ist. Aber es fehlen effektive staatliche Strukturen“, sagte | |
der US-Bürger Hunter Keith, der als Berater für libysche Ministerien | |
arbeitet. „Zu viele lokale Strukturen konkurrieren miteinander und ihre | |
Vertreter lernen nach Jahrzehnten des Zentralismus nur sehr langsam, wie | |
man einen gleichberechtigten Dialog führt. Sie brauchen Expertise.“ | |
13 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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