| # taz.de -- Streit um Libyens Ölhäfen: Ultimatum an den Regierungschef | |
| > Die Regierung in Tripolis und die Blockierer der Ölhäfen im Osten des | |
| > Landes können sich nicht auf ein Ende des Exportstopps einigen. | |
| Bild: Protest in Bengasi: Die Meinungen zur Ölblockade in Libyen sind geteilt. | |
| TOBRUK taz | Ein Komitee des libyschen Parlaments hat Regierungschef Ali | |
| Seidan sieben Tage Zeit gegeben, die Öffnung der blockierten Ölhäfen im | |
| Osten des Landes zu beenden. Andernfalls werde Gewalt angewandt, sagte | |
| Suleiman Ghajam, ein Sprecher einer Miliz namens „Operationsräume“, am | |
| Mittwoch. Die Gruppe war verantwortlich für die kurzzeitige Enführung | |
| Seidans am 10. November. | |
| Die Ansage erfolgt, nachdem die von den föderalistischen Milizen für | |
| Sonntag angekündigte Öffnung der Ölhäfen nicht wie erhofft statt gefunden | |
| hat. Der Anführer der Bewegung, Ibrahim Dschadran, überraschte die | |
| Regierung am Vorabend damit, dass Seidan auf seine Forderungen nicht | |
| ausreichend eingegangen sei. | |
| Damit ist einer der wichtigsten Ölexporteure Afrikas weiterhin in der Hand | |
| von Dschadrans Milizionären, die ursprünglich dafür bezahlt worden waren, | |
| die Ölanlagen zu sichern. Nur noch 110.000 Barrel Öl täglich exportiert | |
| Libyen aufgrund zahlreicher Blockaden und Streiks. | |
| Im Süden und Westen des Landes hatten in den vergangenen Wochen die | |
| Minderheiten der Tobu, Tuareg und Berber für die Durchsetzung ihrer | |
| Forderungen nach mehr Rechten zahlreiche Ölinstallationen besetzt, aber | |
| wieder geräumt. | |
| ## Libyen muss auf seine Währungsreserven zurückgreifen | |
| Direkt nach der Revolution konnten libysche Experten mithilfe ausländischer | |
| Ölfirmen die Produktion auf 1,3 Millionen Barrel steigern. Kurz vor der | |
| Wahl einer Verfassungsgebenden Kommission setzen nun politische Konflikte | |
| den Wohlstand der reichsten afrikanischen Nation aufs Spiel. | |
| Ölminister Adelbari al Senussi behauptet, Libyen hätte bereits neun | |
| Milliarden Dollar an Einnahmen eingebüßt und einige seiner langjährigen | |
| Abnehmer verloren, die sich nun in Algerien oder Nigeria mit Öl eindecken. | |
| Das Mittelmeerland steht zwar nicht vor einem sofortigen finanziellen | |
| Kollaps, aber muss nun auf seine Währungsreserven zurückgreifen. Premier | |
| Seidan warnte davor, bald keine Löhne mehr zahlen zu können. | |
| ## Kritik am Zentralismus der Regierung in Tripolis | |
| „Die Selbstblockade der Föderalisten um Dschadran scheint absurd zu sein, | |
| hat aber ihren Ursprung in dem seit Jahren gepflegten Zentralismus im 1.000 | |
| Kilometer entfernten Tripolis“, betont Ali Masedna al Kothany, der | |
| ehemaliger libysche Botschafter in Deutschland. Er kehrte nach mehrjährigem | |
| Exil und der chaotischen nachrevolutionären Zeit als Vertreter seines | |
| Landes in Berlin nach Tobruk zurück. | |
| Die Stadt besitzt den einzigen Naturhafen Nordafrikas. Am leeren Ölterminal | |
| Marsa el-Hariga warten Arbeiter auf die Öltanker. So ruhig wie im Hafen | |
| geht es auch in der Stadt zu. Keine Kontrollstellen, keine Milizen, die | |
| libysche Armee und Polizei sorgen dezent für Sicherheit. | |
| „In Tobruk, Aschdabija und Al Beida sorgen starke soziale Strukturen für | |
| Odnung. Die Stämme sind Großfamilien und eine Art soziales Netzwerk. Im | |
| östlichen Teil der Cyreneika arbeiten sie anders als im Westen Libyens | |
| zusammen, da sie schon immer von Tripolis unterdrückt oder vernachlässigt | |
| werden“, sagt Masednah. | |
| ## Es geht um die Verteilung von Geld und Ämtern | |
| Die Unzufriedenheit in der Cyreneika mit der Verteilung der Ämter und | |
| Gelder in Libyen ist groß. „Der Osten kommt bei allem zu kurz“, beschwert | |
| sich auch Lokalratchef Faradsch Jassin. „Wir versuchen, ausländische Firmen | |
| mit Projekten zu locken, aber scheitern bis jetzt an Bürokratie und | |
| Korruption in Tripolis. Obwohl wir hier alleine für Recht und Ordnung | |
| gesorgt und die Extremisten verjagt haben.“ Trotzdem setzt Jassin weiter | |
| auf die Regierung von Seidan. Man sollte ihm Zeit geben, betont er. | |
| Im Hafen unterhalb des deutsche Soldatenfriedhofs steht alles bereit für | |
| die erwartete Ankunft eines Eine-Million-Tonnen-Tankers mit Ziel China. | |
| „Ich weiß nicht, wer Dschadran bezahlt, aber er macht Libyen mit der | |
| Blockade kaputt“, klagt Ölingenieur Faradsch Mohamed, der sein Gehalt vom | |
| Ölministerium aus Tripolis bezieht. | |
| Trotz Unmutes über die Blockadepolitik der Föderalisten konnten diese sich | |
| bisher auf die Unterstützung auf der Straße und der Stämme verlassen, doch | |
| nun ist die Stimmung gespalten. | |
| ## Besetzer drohen, auf Tanker zu schießen | |
| Vergangene Woche beschlossen die Stämme der Cyrenika dann eine dreimonatige | |
| Öffnung der Ölhäfen Tobruk, Ras Lanuf und El-Sider als Geste guten Willens. | |
| Als Bedingung für eine langfristige Einigung mit der Regierung gilt die | |
| Offenlegung der Öleinnahmen der letzten drei Jahre, eine gerechtere | |
| Verteilung der Erlöse und eine Dezentralisierung der Institutionen. Seidan | |
| hatte die Forderungen offiziell zurück gewiesen und einen | |
| Interpol-Haftbefehl gegen Dschadran ausstellen lassen. | |
| Die Ingenieure in Tobruk trauen sich nach Dschadrans Machtwort nicht, das | |
| erwartete Schiff in den Hafen einlaufen zu lassen. Die Männer von Dschadran | |
| haben sie gewarnt, sie würden Schiffe, die die Blockade brechen, auf | |
| offener See beschießen. „Eine Umweltkatastrophe ist das Letzte, was wir | |
| jetzt noch gebrauchen können“, sagt Faradsch, „aber das Chaos muss beendet | |
| werden.“ | |
| 19 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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