| # taz.de -- Jahrestag in Libyen: Die Euphorie ist lange verflogen | |
| > Hunderttausende wollen am Montag im ganzen Land demonstrieren. Die | |
| > Zivilgesellschaft hat das demokratische Handwerk schnell gelernt. | |
| Bild: Revolutionäre Souvenirs bei einem Straßenhändler in Tripolis. | |
| TUNIS taz | „Der Krieg ist vorbei, die Revolution hat noch nicht begonnen“ | |
| steht auf einer Hauswand in Bengasi im Osten Libyens. Dort hatte am 15. | |
| Februar 2011 der Aufstand gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi begonnen. | |
| Wie schon an den letzten beiden Jahrestagen werden Hunderttausende im | |
| ganzen Land auf die Straßen gehen. Die anfängliche Euphorie ist jedoch | |
| schon lange verflogen. Den zahlreichen Krisenherden stehen Bürger und | |
| Regierung scheinbar ohnmächtig gegenüber. | |
| Dass auch die Armee kaum Einfluss hat, demonstrierte General Chalifa Haftar | |
| unfreiwillig am vergangenen Freitag. In einem über YouTube proklamierten | |
| Putschversuch verkündete er die Auflösung des Kongresses und forderte eine | |
| Notstandsregierung. Doch nichts passierte. | |
| „Der Coup hat nur im Wohnzimmer von General Haftar stattgefunden“, | |
| scherzten Blogger schon Stunden später. Tatsächlich hätte die Armee Grund | |
| genug, auf die Barrikaden zu gehen. Täglich werden Soldaten in Bengasi und | |
| Derna Opfer von Anschlägen. Aktivisten im Osten des Landes vermuten | |
| religiöse Extremisten hinter den professionell ausgeführten Attentaten. | |
| Deren Anführer saßen zu Gaddafis Zeiten im Gefängnis Abu Salim oder | |
| kämpften in Afghanistan. „Kalifat Derna“ steht am Ortseingang der | |
| ostlibyschen Kleinstadt, in der die Islamisten ihre Vision des neuen Libyen | |
| umgesetzt haben. | |
| Das liberale Lager wirft einigen Kongressabgeordneten vor, direkt mit den | |
| Extremisten zusammenzuarbeiten. „Al-Qaida ist jetzt erstmals in einem | |
| Parlament vertreten“, sagte ein Abgeordneter gegenüber der taz. | |
| Die Libyer haben das Vertrauen in die erstmals frei gewählten Politiker | |
| verloren. Wegen der schlechter werdenden Sicherheitslage stehen die | |
| Baukräne weiterhin still, der Ölexport – Haupteinnahmequelle des | |
| zweitreichsten Landes Afrikas – ist durch zahlreiche Blockaden der | |
| Föderalistenbewegung im Osten eingebrochen. | |
| ## Stammesälteste vermitteln in Konflikten | |
| Unterschiedliche Gruppen haben es ihnen in den vergangenen Monaten | |
| gleichgetan. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, besetzten sie | |
| Raffinerien und Straßen oder drehten der Hauptstadt Tripolis zeitweilig das | |
| Wasser ab. | |
| Die Mehrheit der Bürger ist allerdings längst ins zivile Leben | |
| zurückgekehrt und erträgt mehr oder weniger geduldig Stromausfälle und | |
| Schießereien. „Wir fordern eine Armee und Polizei“ ist der Tenor fast aller | |
| Demonstrationen. | |
| Die Zivilgesellschaft hat in den vergangenen drei Jahren das demokratische | |
| Handwerk schnell erlernt. Nach landesweiten Demonstrationen gegen die | |
| eigenmächtige Verlängerung des Mandats der Parlamentsabgeordneten gaben | |
| diese dem öffentlichen Druck nach und beschlossen die Vorbereitung von | |
| Neuwahlen im Frühsommer. | |
| Doch zunächst steht am Donnerstag die Wahl einer Verfassungskommission an – | |
| die vermutlich zu einem erneuten Tauziehen zwischen Säkularen und | |
| Islamisten werden wird. Letztlich sind es die außerhalb von Tripolis | |
| einflussreichen Stämme, die eine völlige Eskalation verhindern. Ihre | |
| Ältesten sind als Vermittler bei Konflikten im Dauereinsatz. | |
| 16 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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