# taz.de -- Politische Konflikte in Libyen: Zwei Milizen probieren einen Putsch | |
> Vor den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung wachsen die politischen | |
> Spannungen in Libyen. Religiöse und Liberale geraten aneinander. | |
Bild: Miliz in Bengasi | |
BENGASI taz | 48 Stunden vor den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung | |
hat in Libyen zum zweiten Mal binnen fünf Tagen eine Art Putschversuch | |
stattgefunden. Auch dieser ging ohne Blutvergießen und sichtbaren | |
Truppenaufmarsch zu Ende. | |
Zwei Milizen, Qaqa und Al Sawaiq, hatten am Dienstag dem Übergangsparlament | |
ein Ultimatum von fünf Stunden gestellt, um sich aufzulösen. Das Mandat des | |
im Sommer 2012 gewählten Nationalkongresses endete am 7. Februar. Die | |
Abgeordneten hatten ihre Amtszeit jedoch eigenmächtig bis Dezember | |
verlängert. Der Kommandeur der Qaqa-Brigade, Abdulmajid Milaiqtah, lies | |
über die Facebook-Seite der Miliz und in einem Fernsehinterview den | |
Volksvertretern die Wahl: „Entweder sie legen ihr Amt nieder oder wir | |
werden sie verhaften.“ | |
Viele Tripolitaner nahmen die Ankündigung gelassen hin. Einen Tag nach | |
landesweiten und ausgelassenen Feiern zum dritten Jahrestag der Revolution | |
kam ihnen die Drohung von Milaiqtah wie ein schlechter Scherz vor. Doch die | |
Straßen der Hauptstadt leerten sich vor Ablauf des Ultimatums. | |
Junge Männer berichteten von Einberufungen per SMS zu ihren Einheiten. | |
Während sich nur eine Handvoll Bürger zum Schutz vor dem Eingangstor des | |
Kongresses einfanden, standen Gruppen vermummter Bewaffneter an den | |
Einfallsstraßen der Hauptstadt, um einen eventuellen Einmarsch von Kämpfern | |
aus Zintan zu verhindern. | |
Das südlich von Tripolis gelegene Zintan gilt als Verbündeter der liberalen | |
Koalition von Mahmoud Jibril und den Qaqa-Kämpfern. Jibrils | |
70-Parteien-Allianz „Nationale Kräfte“ und deren Milizen sehen sich als | |
Gegengewicht zu den Misurata-Revolutionären, religiös-konservativen Gruppen | |
und den mit ihnen verbündeten Muslimbrüdern. | |
## Wahlen am 20. Februar | |
Premierminister Ali Seidan versuchte zusammen mit dem UN-Repräsentanten | |
Tarek Mitri, zwischen den Parteien zu vermitteln. Am Abend erreichten sie | |
eine Verlängerung des Ultimatums und einen Kompromiss, ohne Details zu | |
nennen. | |
Am Mittwoch erklärte sich der Rat der Stämme in der östlichen Provinz | |
Cyreneika mit den Gegnern des Kongresses solidarisch. Viele Bürger in | |
Bengasi werfen einzelnen Abgeordneten vor, mit den Hintermännern der | |
Anschläge auf Polizei und Armee in der Geburtsstadt des Aufstandes gegen | |
Gaddafi gemeinsame Sache zu machen. | |
„Wir haben über Wochen gegen die Unfähigkeit und die Kontakte einiger | |
Kongressabgeordneter zu den Islamisten demonstriert. Wir wollen aber, dass | |
sie in einem demokratischen Prozess abgelöst werden, nicht mit Gewalt“, | |
gibt Aktivist Mohamed Kaplan aus Bengasi die Meinung vieler Diskutanten auf | |
dem Freiheitsplatz wieder. Der Kongress gab dem Volkswillen vergangene | |
Woche nach und beschloss baldige Neuwahlen. | |
Doch den Putschisten ist vielleicht genau diese legale Übergabe der Macht | |
ein Dorn im Auge. Sie wollen mit einem Sturz des Kongresses gleichzeitig | |
das dort beschlossene Isolationsgesetz kippen. Mit dem von Misurata-Milizen | |
erzwungenen Gesetz werden alle, die seit 1969 ein höheres Amt innehatten, | |
vom politischen Leben ausgeschlossen. | |
Am 20. Februar finden nun erst einmal die landesweite Wahlen für die | |
60-köpfigen Verfassungskommission statt. Wie viele andere bleibt Aktivistin | |
Zahra Langi aus Bengasi der Abstimmung fern, aus Protest gegen die | |
schlechte Sicherheitslage und Ausschluss der Minderheiten. Auch die Berber | |
boykottieren die Wahlen. Als lachender Dritte meldeten sich die Islamisten | |
von Ansar al-Sharia zu Wort. Sie erklärten auf ihrer Facebook-Seite die | |
Demokratie zum gescheiterten Modell für Libyen. | |
20 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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