| # taz.de -- Politische Krise in Libyen: Mehr Autonomie für das Ölgebiet | |
| > Ein lokaler Milizenführer gründet eine eigene Regierung für den Osten des | |
| > Landes. Die Zentralregierung in Tripolis schaut scheinbar machtlos zu. | |
| Bild: In der Anlage der Ölgesellschaft Sirte geht derzeit gar nichts mehr. | |
| TRIPOLIS taz | In der libyschen Stadt Adschdabija 140 Kilometer westlich | |
| von Bengasi macht ein junger Milizenführer der Regierung in Tripolis | |
| derzeit vor, wie man in dem Chaos von Stämmen und Milizen in kurzer Zeit zu | |
| einem Machtfaktor wird. | |
| Ibrahim Jatran, ein 36-jähriger ehemaliger Revolutionär, ist seit dem | |
| Frühjahr Chef der Sicherheitstruppe für die Ölindustrie in der Cyrenaika, | |
| der Provinz im Osten des Landes. Obwohl von der Regierung bezahlt, | |
| verlangte er nach Amtsantritt sofort die Bildung eines föderativen Staates | |
| und blockiert seit dem Sommer die Häfen in der ölreichen Region. Niemand | |
| weiß, wie viele Kämpfer unter seinem Kommando stehen und ob er mit den | |
| islamistischen Brigaden Ansar al-Scharia zusammenarbeitet. | |
| Obwohl Jatran sich mit dem Gründer der Föderalistenbewegung Ahmad al-Subair | |
| al-Senussi überworfen hat, kontrolliert er mit den Ölhäfen den Schlüssel | |
| der libyschen Wirtschaft. Seine wirtschaftliche Macht soll sich nun auch | |
| politisch manifestieren: Am Sonntag stellte er eine 20-köpfige Regierung | |
| der autonomen Region Cyrenaika vor. Die Regierung in Tripolis wie auch der | |
| Übergangsrat in der Cyrenaika erkennen das neue Kabinett nicht an. | |
| ## Blockade der Ölhäfen | |
| Wohl über fünf Milliarden Dollar hat Libyen durch die Ölblockaden verloren. | |
| „Besser gar keine Öleinnahmen, als dass sie in dunklen Kanälen versickern�… | |
| sagt Jatran, „die Regierung in Tripolis ist korrupt und ineffizient. Wir | |
| wollen mehr Selbstverwaltung und mehr Einnahmen aus dem Ölexport für die | |
| Cyrenaika.“ | |
| Für die Regierung in Tripolis ist die Lage im Osten nicht das einzige | |
| Problem. In Gaddafis ehemaligem Verwaltungssitz Sirte ringen die | |
| Spezialeinheiten der Armee und al-Qaida-nahe Milizen um die Macht. In der | |
| Ortschaft Nuflija haben die Extremisten in ihren Trainingscamps die | |
| schwarze Flagge mit weißer Schrift von al-Qaida gehisst. Sie kontrollieren | |
| zudem den kleinen Tiefwasserhafen und den Flughafen von Sirte. | |
| Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter erbeuteten zehn Bewaffnete | |
| vergangene Woche in Sirte umgerechnet über 50 Millionen Euro. „Diese | |
| ungeheure Summe mit nur wenigen Sicherheitskräften in so eine unsichere | |
| Gegend zu schicken, könnte ein entscheidender strategischer Fehler der | |
| Regierung gewesen sein“, meint ein Sicherheitsexperte der libyschen Armee. | |
| „Ich gehe davon aus, dass dieses Geld in der Hand von den Al-Qaida-Milizen | |
| ist und für Waffen und die Rekrutierung der vielen arbeitslosen | |
| Jugendlichen benutzt wird. Das wäre eine Katastrophe.“ | |
| ## Das Parlament löst die Miliz auf, die den Regierungschef entführt hat | |
| Der Nationalkongress in Tripolis, das Parlament, schaut den Entwicklungen | |
| scheinbar machtlos zu. Gewonnen hat Regierungschef Ali Seidan zumindest | |
| einen politischen Kampf. Der sogenannte „Operationsraum“, eine Allianz aus | |
| Milizen zur Absicherung von Tripolis, wurde nach einem Beschluss des | |
| Nationalkongresses von Sonntag aufgelöst. Über hundert dieser Milizionäre | |
| hatten Seidan vor vier Wochen für mehrere Stunden entführt und erst nach | |
| Bürgerprotesten wieder freigelassen. „Jede Gruppierung setzt zurzeit | |
| Zeichen“, sagt der politische Analyst Mohamed Eljar. „Alle Seiten bereiten | |
| sich auf den Fall eines größeren Konflikts vor.“ | |
| Die nächste Bewährungsprobe ist am 9. November. Dann läuft das Mandat des | |
| Nationalkongresses aus. Die Abgeordneten wollen ihre Amtszeit verlängern. | |
| Die Initiatoren einer Bürger-Kampagne „9. 11.“ fordern eine | |
| Notstandsregierung mit Fachleuten und Neuwahlen. „Es reicht“, sagt | |
| Mitinitiator Ahmed ben Mousa, „Libyen braucht Institutionen und Fachleute | |
| und keine selbst ernannten Regierungen und Milizen.“ | |
| 4 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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