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# taz.de -- Feindschaften in Libyen: Die gespaltene Revolution
> Zwei Jahre nach Gaddafis Tod formieren sich verfeindete Lager zum
> Showdown: Ost gegen West, Islamisten gegen Gaddafi-Veteranen, Milizen
> gegen Zentralstaat.
Bild: Wer auf Pick-ups mit Waffen wedelt, hat Vorfahrt: Milizenparade in Tripol…
TRIPOLIS taz | Am Sonntag jährte sich die Ermordung des ehemaligen
libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi zum zweiten Mal. Und die
Lage in Libyen eskaliert immer weiter, zwei Wochen nach der Entführung des
Al-Qaida-Führers Anas al-Liby durch US-Spezialkräfte.
Mittlerweile fast täglich fallen Polizisten oder Soldaten der neuen
libyschen Armee Attentaten zum Opfer, politische Aktivisten und
Journalisten werden immer wieder bedroht. Während eines religiösen Festes
explodierten in Bengasi mehrere Bomben, unter anderem vor dem
Marwa-Krankenhaus, dessen Fassade schwer beschädigt wurde.
In Bengasi, der größten Stadt im Osten Libyens, herrscht Ausnahmezustand,
seit am Mittwoch Unbekannte den Chef der Militärpolizei ermordeten, Ahmed
al-Bargathi, ein bekannter Revolutionsheld. Für den Mord machen die
liberalen Kräfte islamistische Kämpfer der sogenannten Derra Libya
verantwortlich.
In einer TV-Diskussion bestritt deren Kommandeur Ben Hamid, mit dem Mord zu
tun zu haben, aber wütende Anrufer warfen ihm vor, für den Mord an
US-Botschafter Stevens vor einem Jahr sowie 32 Demonstranten verantwortlich
zu sein, die bei Protesten von Anwohnern gegen die Willkür seiner Miliz
erschossen wurden.
Am Freitag wurde sein Haus in Bengasi mit Panzerfäusten in Brand
geschossen. Zugleich wurde ein Angriff von Armee-Spezialeinheiten auf das
Hauptquartier des mächtigen Milizenführers Ahmed Abu Khattala von dessen
Kämpfern zurückgeschlagen. „Es gab überall in der Stadt Schießereien und
wilde Checkpoints, nun herrscht gespannte Ruhe“, so ein Journalist in
Bengasi am Wochenende.
## Zwei bewaffnete Lager
Bargathi hatte sich wie die meisten Sicherheitskräfte Gaddafis in der
ostlibyschen Region Cyreneika bei Beginn der Revolution 2011 den
Aufständischen angeschlossen. Da Spezialeinheiten der Armee in den Jahren
zuvor gegen die religiös geprägte Opposition gegen Gaddafi vorgegangen war,
sind diese Überläufer der späten Stunde allerdings bei libyschen Islamisten
verhasst.
Die Feindschaft zwischen islamistisch geprägten revolutionären Milizen und
Armee und Polizei, wo übergelaufene ehemalige Gaddafi-Loyalisten dienen,
prägt nach wie vor Libyens Politik und äußert sich jetzt auch in den
Kontroversen um die Verhaftung al-Libys.
Nach der Verhaftung des Al-Qaida-Führers hatten Milizionäre aus dem
islamistisch-konservativen Lager den libyschen Premierminister Seidan wegen
angeblicher Mitwisserschaft acht Stunden lang entführt. Seidan hat die
Festnahme der Hintermänner der Aktion angekündigt – seine Gegner behaupten,
er wolle das dazu nutzen, um von den USA gesuchte Milizenführer
auszuschalten.
Erstmals seit dem Ende der Revolution vor zwei Jahren stehen sich nun in
Libyen zwei bewaffnete Lager gegenüber. Auf der einen Seite die
Spezialeinheiten der Armee, die Regierung Ali Seidans und die Milizen aus
Sintan – auf der anderen eine Allianz von Kämpfern aus Bengasi und
Misurata. Beide Lager versuchen zurzeit, die mächtigen Stämme auf ihre
jeweilige Seite zu ziehen.
Die Lage ist allerdings weniger übersichtlich, als diese Darstellung
aussieht. So tritt die Miliz, die Libyens Ölanlagen schützt und 12.000 Mann
umfasst, für eine Föderalisierung Libyens ein – also weitgehende Autonomie
für den Osten um Bengasi mit den Ölquellen, was in der Hauptstadt Tripolis
abgelehnt wird. Seit dem Sommer legen die Kämpfer dieser Miliz mit
Hafenblockaden den Ölexport lahm. Die Islamisten sind gegen eine
Föderalisierung: „Hinter den Föderalisten stecken unbekannte ausländische
Businessleute“, so Hamid.
21 Oct 2013
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Libyen
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Gaddafi
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