# taz.de -- Krise in Libyen: Auch Bengasi will Milizen loswerden | |
> Gefechte zwischen Armee und Islamisten fordern Tote und Verletzte. Über | |
> 100 Angehörige der Sicherheitskräfte wurden schon umgebracht | |
Bild: Einwohner von Bengasi vor einem ausgebrannten Gebäude der Miliz Ansar al… | |
TRIPOLIS taz | In Bengasi sind in der Nacht zu Montag heftige Kämpfe | |
zwischen der Armee und islamistischen Kämpfern ausgebrochen. Mit schweren | |
Waffen versuchten Spezialeinheiten die ehemaligen Revolutionäre der | |
islamistischen Ansar al-Scharia aus den Stadtteilen Ras Obeida und al-Birka | |
zu vertreiben. Angeblich wurden mehrere Kommandeure von Ansar al-Scharia | |
festgenommen, mindestens 9 Tote und 49 Verletzte waren zu beklagen. | |
Vermittler beider Seiten verhandelten zunächst ohne Erfolg über den Abzug | |
der Milizionäre. | |
Die vor einer Woche verstärkten Armeeeinheiten waren immer wieder Ziel von | |
Anschlägen, über 100 Sicherheitskräfte starben seit dem Frühjahr in | |
Bengasi. Auch wenn kein einziger Täter festgenommen werden konnte, haben | |
viele Bürger eine einfache Erklärung für den Terror in der Geburtsstadt der | |
Revolution. | |
Ladenbesitzer Mohamed al-Fetori ist sich sicher: „Die religiösen | |
Extremisten wollen den Aufbau eines Rechtsstaates in Bengasi verhindern. | |
Sie haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung, also versuchen sie mit ihren | |
Waffen die Stadt zur Basis eines nordafrikanischen Kalifats zu machen.“ | |
Armeesprecher Abdullah Zaidi hatte trotz Morddrohungen im Fernsehen sogar | |
die Namen der islamistischen Kommandeure genannt, die er für die Anschläge | |
verantwortlich macht. | |
## Polizisten und Soldaten trauen sich nicht mehr auf die Straße | |
Nach dem offiziellen Abzug der einflussreichsten Milizen aus Tripolis am | |
vergangenen Wochenende forderten auch Demonstranten im ostlibyschen Derna | |
und Bengasi die Rückkehr von Armee und Polizei auf die Straßen. „In Derna | |
gibt es den libyschen Staat praktisch nicht mehr, hier regiert nun noch | |
al-Qaida“, sagt ein Bewohner, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen | |
möchte. | |
Am Freitag war mit Fawzi Al Zuki ein weiterer Offizieller auf offener | |
Straße ermordet worden, zwei Tage, nachdem der als Vermittler bekannte | |
Familienvater in einem Fernsehinterview die Willkür der Extremisten | |
kritisiert hatte. In dem Gebiet von Bengasi bis al-Beida trauen sich | |
Polizisten und Soldaten schon seit vergangenem Jahr nicht mehr auf die | |
Straße. | |
## Islamistische Milizen wollen die Scharia einführen | |
Die nun offen ausgetragenen Auseinandersetzungen mit den islamistischen | |
Gruppierungen hatten Beobachter schon seit Längerem vorausgesagt. In | |
wenigen Wochen wird in Libyen die 60-köpfige Verfassungskommission | |
landesweit gewählt. Milizen wie Ansar al-Scharia und Dscheisch al-Nusra | |
hatten angekündigt, ausschließlich die Scharia als Grundlage des | |
Zusammenlebens zu akzeptieren. Eine libysche Verfassung, staatliche | |
Institutionen und demokratische Wahlen lehnen sie ab. | |
„Der Staat muss Krieg gegen diese Gruppen führen, in denen Dschihadisten | |
aus Mali, Ägypten und Algerien Unterschlupf finden“, sagt Armeesprecher | |
Zaidi. „Die Bevölkerung hat bei den Wahlen letztes Jahr klar gezeigt, dass | |
sie in einem moderat islamischen Land leben will und nicht in einem | |
Somalia.“ | |
In den Straßen von Tripolis und Bengasi nahm die Mehrheit der Bevölkerung | |
die Präsenz von Armee und Polizei mit Erleichterung auf. In der Hauptstadt | |
haben viele Milizionäre zwar offensichtlich nur ihre Uniform ab gelegt und | |
lassen sich ihre Loyalität auch weiterhin durch monatlichen Sold bezahlen. | |
Geändert hat sich aber die Einstellung der bisher recht naiven | |
Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit, die weiterhin mit | |
täglichen Demonstrationen Druck auf die Milizen machen. | |
25 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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