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# taz.de -- Alice Schwarzers Buch über Prostitution: Motiv Selbstzerstörung
> Alice Schwarzer veröffentlicht das Buch zur Kampagne für ein
> Sexkaufverbot. Ihre Position ist nicht gut belegt, aber eindeutig:
> Prostitution ist ein Verbrechen.
Bild: In Schwarzers Logik leisten Prostituiertenprojekte wie Hydra oder Dona Ca…
Das Thema Prostitution ist immer einen Skandal wert. Gerade noch zeigte die
ARD als Schimanski-Spätwerk eine Folge über junge Mädchen, die von
Loverboys auf die Straße geschickt werden. Günther Jauch diskutierte im
Anschluss daran mit einem Polizisten, einer Politikerin, dem
unvermeidlichen Bordellkönig und einer selbstbestimmten Hure, ob ein Verbot
der Prostitution etwas nützen würde. Zuvor hatten viele Prominente Alice
Schwarzers Aufruf „Prostitution abschaffen“ unterschrieben: Thema gesetzt.
Und nun das passende Buch dazu. Chapeau – Kampagne geglückt.
„Prostitution – ein deutscher Skandal“ nennt Alice Schwarzer diese Sammlu…
von Texten, die größtenteils schon in der Emma standen, einige schon vor
sehr vielen Jahren. Das schwedische Sexkaufverbot schimmert immer wieder
durch, Schwarzer bietet eine Argumentensammlung in Form von Geschichten,
die es in sich und den Schwarzer-üblichen Zuschnitt haben. Kostprobe aus
ihrem Vorwort: „90 Prozent sind Armuts- und Zwangsprostituierte“.
Klingt dramatisch – bis man sich fragt, was genau Armutsprostituierte sind?
Etwas anderes als Armutsputzkräfte? Dann werden Studien erwähnt. Die
belegen angeblich, dass über 90 Prozent der Prostituierten als Kind
missbraucht wurden – Quelle nicht genannt. „Zwei von drei Prostituierten
werden im Job vergewaltigt. Jede zweite mehr als fünfmal“ – Quelle nicht
genannt.
Wer wurde befragt? Die Besucherinnen von Hilfsstellen? Sind die
repräsentativ? Gab es tatsächlich schon mal eine repräsentative
Untersuchung unter Prostituierten? Man weiß es nicht. Nehmen alle
Prostituierten Schaden an ihrer Seele? Dann sind Freier unverantwortliche
Vergewaltiger, die die hilflose Lage ihrer Opfer ausnutzen. „Würden die
Männer hinsehen, wessen Seele und Körper sie da benutzen – sie könnten es
nicht mehr tun“, schließt Schwarzer.
## „Man sieht es an den Augen“
Systematisch werden die Gegenargumente („viele Prostituierte tun es
freiwillig“) mit rührenden Geschichten gekontert: Da sprechen etwa zwei
Exhuren darüber, wie sie „freiwillig“ anschaffen gingen. Hinterher erkennt
die eine: „Mein Motiv war vor allem Selbstzerstörung. […] Das habe ich aber
damals nicht geblickt.“ Die andere: „Irgendwann holt es jede ein. Man sieht
es an den Augen“.
Die Fotografin Bettina Flitner fotografiert Freier, die ihr sagen: „Warum
ich für Sex bezahle? Da besitzt man die Frau. Man kann mit ihr machen, was
man will.“ Aber es gibt auch andere Töne: „Sex ohne Stress, ohne Ansprüch…
ist etwa die Begründung, die Flitner am häufigsten hört. Klingt schon
weniger dramatisch. Aber sie hört auch, dass Männer, die regelmäßig ins
Bordell gehen, den Sex mit anderen Frauen nicht mehr spannend finden.
Ein Freier erzählt, wie er seine Beziehung in den Sand gesetzt hat. Seine
Frau schloss sich mit anderen Freierfrauen zusammen und stellte fest, dass
jeweils das eheliche Sexleben darniederliegt. Statt sich damit
auseinanderzusetzen, nehmen Männer die Fluchtmöglichkeit Puff gern in
Anspruch. Darüber zu diskutieren lohnt sich.
## NPD- und Draculavergleiche
Wenn man aber einmal gesetzt hat, dass Prostitution an sich eine
Menschenrechtsverletzung ist, wie Schwarzer und ihre Emma-Kolleginnen das
tun, dann gerät natürlich vieles auf die schiefe Ebene:
Prostituiertenprojekte wie Hydra oder Dona Carmen etwa, die Prostituierten
nicht nur beim Ausstieg, sondern auch beim Einstieg in den Beruf helfen,
leisten in dieser Logik dann Beihilfe zu einem Verbrechen. Was die
Emma-Frauen dann auch mit gehörigem Tremolo aufspießen. Da wird ein
Bordellbetreiber mit der NPD verglichen. Oder der Freier mit Dracula.
Warum das Buch trotzdem lesenswert ist? Weil es all die Fälle, die
Schwarzer hier als repräsentativ darstellt, auch gibt. Wie viele es sind,
ist fraglich. Aber es gibt sie. Und wer das nicht einfach mit ansehen will,
muss darüber nachdenken, wie es mit der Prostitution weitergehen soll in
unserem Land.
Schwarzer suggeriert, dass das Problem mit einem Verbot gelöst wäre. Aber
auch, wer das nicht glaubt, und dafür gibt es gute Gründe, muss sich
Gedanken darüber machen, wie man das Elend vieler Prostituierter lindern
kann. Und wer redet eigentlich mal mit den Freiern?
15 Nov 2013
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
Suizid
sexuelle Selbstbestimmung
Feminismus
Alice Schwarzer
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Prostitution
Schwerpunkt Frankreich
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Prostitutionsgesetz
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