# taz.de -- Mindestlohn für Deutschland beschlossen: Historisches mit Hintert�… | |
> Die Sozialdemokraten jubeln über die Einigung auf einen flächendeckenden | |
> Mindestlohn. Doch es gibt jede Menge Schlupflöcher für Lobbyisten. | |
Bild: Das ist ja wohl das absolute Minimum! | |
BERLIN taz | In Deutschland soll ab 2015 flächendeckend ein Mindestlohn von | |
8,50 Euro brutto in der Stunde gelten – ein historischer Einschnitt. Es ist | |
die vielleicht wichtigste Neuerung, auf die sich Union und SPD bei der | |
Arbeitsmarktpolitik geeinigt haben. | |
Vom Tisch ist dabei, diesen Lohn nach Ost und West oder nach Branchen zu | |
differenzieren, wie es die Union vorgeschlagen hatte. Trotzdem werden nicht | |
alle der rund 7,7 Millionen Beschäftigten, die derzeit unter 8,50 Euro in | |
der Stunde verdienen, in rund einem Jahr auf eine Lohnerhöhung hoffen | |
können. Denn der Mindestlohn kommt – aber mit Ausnahmen. | |
Sofern für Beschäftigte derzeit Tarifverträge gelten, die Löhne unter 8,50 | |
Euro festlegen, müssen Arbeitnehmer noch bis 2017 auf mehr Geld warten. | |
Erst ab dann sollen alle Tarifverträge mit Mini-Entlohnung durch den | |
allgemeinen Mindestlohn ersetzt werden. Vor allem in der Landwirtschaft, im | |
Gartenbau, aber auch im Hotel- und Gaststättengewerbe sind Löhne unter 8,50 | |
Euro durchaus üblich. | |
In den Koalitionsvertrag ist zudem ein Hintertürchen eingebaut, das weitere | |
Ausnahmen zulässt. Es heißt, man werde das Gesetz zum Mindestlohn „mit | |
Arbeitgebern und Arbeitnehmern erarbeiten und mögliche Probleme, z. B. bei | |
der Saisonarbeit, berücksichtigen“. Letztlich bleibt damit offen, ob der | |
Mindestlohn ab 2017 tatsächlich flächendeckend für alle Beschäftigten gilt. | |
## Ausnahmeregelungen befürchtet | |
Die Union hatte in den Verhandlungen auf Ausnahmeregelungen für | |
Zeitungsausträger, Rentner oder schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose | |
gedrängt. Reinhard Bispinck, vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen | |
Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sieht diesen Passus | |
mit Sorge: „Das ist die Einladung an alle Lobbyisten, bei der Regierung | |
vorstellig zu werden und auf Ausnahmeregelungen zu drängen.“ | |
Über eine Erhöhung des Mindestlohns soll künftig eine Kommission | |
entscheiden. Darin sollen jeweils drei stimmberechtigte Vertreter von | |
Arbeitgebern und Arbeitnehmern und ein alternierender Vorsitzender sitzen, | |
sowie zwei – nicht stimmberechtigte – Wissenschaftler. Wie der Vorsitzende | |
bestimmt wird, lässt der Koalitionsvertrag offen. Klar ist jedoch: Erst im | |
Juni 2017 – und damit kurz vor den nächsten Bundestagswahlen – wird wieder | |
über eine Erhöhung des Mindestlohns verhandelt. Dabei gelten schon jetzt in | |
einigen westeuropäischen Ländern Mindestlöhne von neun Euro und mehr. | |
SPD und Union haben sich auf weitere Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt | |
geeinigt. Die wichtigsten sind: | |
Leiharbeit: Wer als Leiharbeiter beschäftigt ist, hat künftig nach neun | |
Monaten in einem Betrieb Anspruch auf den gleichen Lohn und die gleichen | |
Konditionen wie Stammbeschäftigte. Nicht alle Leiharbeiter werden davon | |
profitieren: fast die Hälfte ist weniger als drei Monate in einem | |
Arbeitsverhältnis beschäftigt. Zudem soll die Dauerleihe eingedämmt werden. | |
So sollen Leiharbeiter künftig nur 18 Monate an einem Stück in einem | |
Betrieb beschäftigt werden dürfen. Allerdings kann davon durch | |
Tarifverträge abgewichen werden. Leiharbeiter dürfen zudem nicht mehr als | |
Streikbrecher eingesetzt werden. | |
Werkverträge: Bei den Werkverträgen tut sich nicht viel. Die wichtigsten | |
Neuerungen: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit soll stärker kontrollieren, | |
ob Werkverträge missbraucht werden. Und dort, wo Betriebsräte existieren, | |
müssen diese künftig über Werkverträge informiert werden. Das heißt jedoch | |
nicht, dass Betriebsräte dann viel dagegen tun können. Mitbestimmungsrechte | |
bekommen sie ausdrücklich nicht zugestanden. | |
Tarifverträge stärken: Ein bisher wenig beachteter Punkt könnte größere | |
Auswirkung haben. Künftig soll es einfacher sein, einen Tarifvertrag für | |
allgemeinverbindlich zu erklären. Dann gilt dieser auch für die bisher | |
tariflosen und fast immer schlechter gestellten Arbeitnehmer derselben | |
Branche. Bisher scheiterten solche Anträge auf Allgemeinverbindlichkeit an | |
einer hohen Hürde: Die tarifgebundenen Arbeitgeber mussten mindestens 50 | |
Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden | |
Arbeitnehmer beschäftigen. Künftig soll es unter anderem auch möglich sein, | |
die Allgemeinverbindlichkeit zu erklären, um wirtschaftliche | |
Fehlentwicklungen abzuwenden. | |
27 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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