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# taz.de -- Urheberrechts-Streit: Verlage dürfen kontrolliert werden
> Das Bundesverfassungsgericht billigt die Anpassung von unangemessen
> niedrigen Übersetzerhonoraren. Das Verhandlungsungleichgewicht bleibt.
Bild: Die meisten Leser haben dann doch lieber zur deutschsprachigen Ausgabe ge…
BERLIN taz | Die sozialdemokratische Reform des Urheberrechts aus dem Jahr
2002 verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe lehnte jetzt eine Klage des Hanser-Verlags ab. Die nachträgliche
Kontrolle von Verträgen zugunsten von Autoren und Übersetzern verletze
nicht die Rechte der Verlage.
Konkret ging es um zwei Bücher. Das Buch „Wie wir destruktive Emotionen
überwinden können“ enthält Gespräche des Dalai Lama mit westlichen
Wissenschaftlern. „Drop City“ ist ein Roman von T. C. Boyle über eine
Hippie-Kommune, die von Kalifornien nach Alaska zieht.
Beide erschienen im renommierten Hanser-Verlag und wurden ins Deutsche
übersetzt. Und in beiden Fällen waren die Übersetzer, Werner Richter und
der inzwischen verstorbene Friedrich Griese, nicht mit ihren Honoraren
zufrieden. Die Übersetzer beriefen sich auf das 2002 unter Justizministerin
Herta Däubler-Gemlin (SPD) novellierte Urheberrechtsgesetz.
Dieses erleichtert den Kreativen, eine „angemessene Vergütung“ ihrer Arbeit
durchzusetzen. Das Gesetz geht davon aus, dass Autoren und Übersetzer
gegenüber den Verlagen typischerweise in einer schwächeren Position sind
und sich deshalb nicht gegen ungünstige Vertragsklauseln wehren können.
Dank der Reform können die Kreativen jetzt aber nachträglich vor Gericht
doch noch ein angemessenes Honorar durchsetzen.
## Nachzahlungen bei viel verkauften Büchern
Beim Bundesgerichtshof (BGH) hatten die beiden Übersetzer Anfang 2011
Erfolg. Der BGH entschied, dass ihre Honorarverträge im Ergebnis nicht
angemessen waren. Vor allem an den Erlösen der Taschenbuchrechte hätten die
Übersetzer besser beteiligt werden müssen. So konnte zum Beispiel Werner
Richter beim BGH eine Nachzahlung von mehr als 13.000 Euro erstreiten.
Ursprünglich hatte er für die Übersetzung des rund 600 Seiten dicken und
etwa 45.000-mal verkauften Romans „Drop City“ laut BGH nur knapp 18.000
Euro erhalten.
Gegen die Pflicht zur Nachzahlung hatte jedoch der Hanser-Verlag
Verfassungsbeschwerde erhoben. Er sah seine Berufsfreiheit und die
Privatautonomie verletzt, wenn ein staatliches Gericht die vertraglich
vereinbarte Vergütung nachträglich erhöht. Der Verlag habe keine Planungs-
und Kalkulationssicherheit, wenn er sich nicht mehr auf abgeschlossene
Verträge verlassen könne. Hanser klagte dabei mit Unterstützung des
Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
## Einen „angemessenen Ausgleich“ gefunden
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verlagsklage nun aber rundweg
abgelehnt. Der Gesetzgeber durfte von einem „typischerweise bestehenden
Verhandlungsungleichgewicht“ zwischen Verlagen und Urhebern ausgehen. Die
Freiheit der Verlage sei auch nicht völlig beseitigt, wenn diese
unangemessene Honorare nicht mehr sicher durchsetzen können. Laut Gesetz
könnten die Verlage ja auch allgemeine Vergütungsregeln mit den
Urheberverbänden vereinbaren, die dann der gerichtlichen Kontrolle entzogen
sind. Insgesamt habe der Gesetzgeber einen „angemessenen Ausgleich der
widerstreitenden Interessen“ gefunden, so die Richter.
Über das Karlsruher Urteil können sich neben Übersetzern und Buchautoren
auch freie Journalisten freuen. Dort gibt es seit 2010 solche
Vergütungsregeln für faire Honorare und seit 2013 auch für Fotohonorare.
Wäre die Hanser-Klage erfolgreich gewesen, wäre auch die Grundlage dieser
Regeln entfallen.
Allerdings sitzen die Urheber auch nach der Reform am kürzeren Hebel.
Setzen sie gerichtlich ihren Anspruch auf angemessene Honorare durch,
besteht die Gefahr, dass sie vom verklagten Verlag so schnell keine
Aufträge mehr bekommen.
28 Nov 2013
## AUTOREN
Christian Rath
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