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# taz.de -- Regal oder Warenkorb: Brauchen wir noch Buchläden?
> Die Nachfrage ist stabil: 400 Millionen Bücher wurden 2009 in Deutschland
> angeschafft. Menschen kaufen Bücher, immer noch. Die Frage ist nur: wo?
Bild: Amazon-Logistikzentrum in Leipzig: Das Online-Handelshaus wächst.
Es gibt die Amazon-Junkies, für die jeder Tag wie Weihnachten ist, wenn der
Postbote klingelt und wieder fünf Pakete bringt. Der Amazon-Junkie zahlt
mit einem Klick und das Buch ist auf dem Weg zur Haustür, ohne
Versandkosten. Ladenöffnungszeiten sind für den Amazon-Junkie ein
Fremdwort. Bei Amazon gibt es gebrauchte Bücher für einen Bruchteil des
Ladenpreises, vielstimmige Rezensionen von anderen Lesern ersetzen die
einseitige Empfehlung des Buchhändlers.
Was würde dem Amazon-Junkie also fehlen, in einer Welt ohne Buchläden? Das
kostenlose Lesezeichen, das der Buchhändler ins Buch legt?
Es gibt auch die Stammkunden, die seit 30 Jahren einem Buchladen die Treue
halten. Der Stammkunde freut sich, dass er im Urlaub das gleiche Buch liest
wie sein Buchhändler. Der Stammkunde kann nichts anfangen mit: „Kunden, die
diesen Artikel kauften, kauften auch... “ Er vertraut seinem Buchhändler,
folgt ihm auch auf Empfehlungen, die abseitig erscheinen und die kein
Computer vorgeschlagen hätte. Amazon? Beim Buchladen an der Ecke kommen die
Bücher doch auch am nächsten Tag an.
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Die meisten Leser liegen wohl irgendwo dazwischen: Sie würden gern häufiger
im Buchladen stöbern, aber haben nie Zeit dazu. Und das Geschenk für den
Geburtstag bestellt man nachts am Computer, mit mehr oder weniger
schlechtem Gewissen: Jeder hat von den schlechten Arbeitsbedingungen bei
Amazon gehört. Aber es ist doch so praktisch.
Brauchen wir also noch Buchläden? Dahinter steht die Frage, von wem wir uns
empfehlen lassen wollen, was wir lesen. Vom Algorithmus von Amazon oder von
der Buchhändlerin an der Ecke?
16,7 Millionen Deutsche kaufen bei Amazon ein, keine andere Website hat so
viele deutsche Kunden. Der deutsche Markt ist damit für das amerikanische
Unternehmen der zweitgrößte der Welt. Amazon dominiert drei Viertel des
deutschen Buchmarktes im Internet, und der Versandhandel mit Büchern im
Internet wächst und wächst: Im vergangenen Jahr um 10,4 Prozent, während
der Gesamtumsatz des Buchhandels zurückging.
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taz.Reporterin Susanne Messmer ist in der taz.am wochenende vom 21./22.
September der Frage nachgegangen, was analoge Buchhändler der digitalen
Konkurrenz entgegensetzen können. Sie hat nach Buchläden gesucht, die auch
in Zukunft überleben könnten und ganz unterschiedliche Antworten gefunden.
Im Buchladen „Roter Stern“ finden sich Bestseller, die durch Amazons Raster
gefallen sind. „Die Empfehlungen, die Amazon gibt, sind ja gar nicht so
dumm“, gibt die Buchhändlerin Jutta Kraußmann trotzdem zu. Aber sie weiß,
was Amazon nicht weiß: Dass Kunden, die sich „leichte Literatur“ wünschen,
manchmal auch das Gewicht des Buches meinen, das beim Lesen im Bett stört.
Für den Buchladen an der Ecke sieht die Zukunft nicht gerade aus wie
leichte Lektüre, wie eine Liebesromanze mit Happy End. Etwa 2.000 Buchläden
haben in den vergangenen Jahren geschlossen. Marktbereinigung nennt man so
etwas dann.
Und doch entstehen weiterhin neue Buchhandlungen, wie Ocelot in Berlin
etwa, die Messmer auch besucht hat, und deren Gründer sich über wachsende
Umsätze freut. Etwas scheint manch kleine Buchhandlung also richtig zu
machen, was Thalia und Hugendubel nicht gelingt. Die großen Ketten, die in
den vergangenen zwanzig Jahren in die deutschen Fußgängerzonen
expandierten, leiden am stärksten unter Amazon. Sie verändern sich deshalb
vom Buchladen zum Geschenkehandel, setzen auf die sogenannten Nonbooks und
verkaufen Schokolade, Seifen, Frühstücksbrettchen.
## Am Buch Schnüffeln
„Am meisten empört mich, dass auch Leute meiner Generation, die in jungen
Jahren lauthals gegen den Monopolkapitalismus gekräht haben, ungeniert bei
einem der größten Monopolisten weltweit bestellen und dabei überhaupt kein
Problem sehen“, schreibt die Büchnerpreisträgerin Sybylle Lewitscharoff in
der sonntaz und ruft zum Kulturkampf gegen Amazon auf. Sie wolle an Büchern
„schnüffeln“, bevor sie sich zum Kauf entscheidet. Auch drei andere
Autorinnen erzählen in der sonntaz von ihren Kaufgewohnheiten.
Nicht nur für nostalgische Schriftstellerinnen sind Buchläden ein Ort der
Begegnung. Aber reicht das als Grund, sie vorm Aussterben zu schützen und
wie Programmkinos staatlich zu subventionieren?
Wie kaufen Sie ihre Bücher, online oder im Geschäft? Sind Sie
Amazon-Junkie, Skandale um Leiharbeit hin oder her? Oder sind Sie
Stammkunde bei einer Buchhandlung? Wird es Buchhandlungen im Jahr 2030
überhaupt noch geben?
Diskutieren Sie mit!
20 Sep 2013
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Amazon
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Sibylle Lewitscharoff
Buchhandel
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