Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korruption in der Türkei: Die Polizei als Sündenbock
> Premierminister Erdogan lässt Tausende Beamte versetzen oder
> suspendieren. So sollen die Ermittlungen gegen seine Günstlinge rasch ein
> Ende finden.
Bild: Gegen Korrupion hilft auch kein Kopfschutz: Premierminister Erdogan
ISTANBUL taz | Es ist wahrlich keine Freude, derzeit in der Türkei Polizist
zu sein. Jeder Tag kann das Ende einer sorgfältig geplanten Karriere
bedeuten, Befehle, die an einem Tag noch wie eherne Gesetze daherkamen,
können am kommenden bereits als Aufforderung zu kriminellen Handlungen
gewertet werden. Diesen Zwiespalt mussten vor zwei Tagen Ermittler der
Polizei in Izmir innerhalb eines Tages erleben.
Im Morgengrauen starteten sie auf Antrag der Staatsanwaltschaft und auf
Anweisung des Polizeipräsidenten eine Großrazzia gegen die Verantwortlichen
des größten türkischen Hafen in Izmir. 25 Personen, darunter das gesamte
Management des Hafens, wurden festgenommen. Parallel dazu gab es Festnahmen
am Hafen in Iskenderun.
Doch dieselben Polizisten, die am Morgen noch hohe Bürokraten und
einflussreiche Geschäftsleute in die Haft eskortierten, waren am Abend
bereits ihren Job los. Einen Tag später gab die Polizeiführung in Ankara
darüber hinaus die Suspendierung von 15 Polizeichefs aus Provinzmetropolen
bekannt, darunter auch von Izmir.
Es habe sich bei den Festnahmen klar um parteiische, interessengeleitete
Ermittlungen gehandelt, erklärte ein Sprecher der Polizeidirektion in
Ankara, deshalb seien die Verantwortlichen ihrer Posten enthoben worden.
Dabei ist der Hintergrund für den Rauswurf klar: Die Verhaftungen der
Hafenverantwortlichen zielten direkt auf den langjährigen Transportminister
Binali Yilderim.
Dieser war bei der Kabinettsumbildung Ende Dezember von seinem Posten
zurückgetreten – aber nicht, weil er in die Korruptionsaffäre verwickelt
war, sondern um für Erdogan im März bei den Kommunalwahlen Izmir zu
erobern.
## 1.700 leitende Polizisten und Staatsanwälte suspendiert
Genau um solche Manöver in Zukunft zu verhindern, hat Erdogan mittlerweile
in den letzten drei Wochen über 1.700 leitende Polizisten und Staatsanwälte
suspendiert, in die Provinz verbannt oder zu untergeordneten Tätigkeiten
verdonnert.
Nach Erdogans Meinung geht es bei den Korruptionsvorwürfen gegen seine
Exminister und deren Söhne, darunter auch seinen eigenen Sohn Bilal
Erdogan, nicht um die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, sondern um einen
Angriff auf seine Regierung durch die islamische Gülen-Gemeinde, mit der
Erdogan sich im letzten Jahr überworfen hatte.
Bei der Kabinettsumbildung am 25. Dezember hat Erdogan deshalb einen seiner
engsten Vertrauten, den bisherigen Chef des Büros des Ministerpräsidenten,
Efkan Ala, zum neuen Innenminister ernannt. Der Auftrag für Ala ist klar:
Säuberung der Polizei und Justiz von allen Sympathisanten der
Gülen-Bewegung. „Die Türkei“, schrieb der renommierte Kolumnist Murat
Yetkin gestern, „hat niemals einen solchen Machtkampf innerhalb eines
politischen Lagers erlebt. Niemand weiß, was morgen passieren wird,
einschließlich der Beteiligten selbst.“
8 Jan 2014
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Gülen
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Korruption
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Korruption
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Polizei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Recep Tayyip Erdoğan
Türkische Armee
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abhöraktion in der Türkei: Erdogan mit langer Leitung
Anhänger der Gülen-Bewegung sollen Ministerpräsident Erdogan abgehört
haben, um einen Sturz der Regierung zu vorzubereiten. Gülen weist die
Vorwürfe zurück.
Korruptionsaffäre in der Türkei: Regierung bremst Ermittler aus
Die türkischen Behörden haben erneut zahlreiche Staatsanwälte versetzt.
Einige davon waren an den Korruptionsermittlungen gegen die Regierung
beteiligt.
Kommentar Wirtschaftskrise Türkei: Erdogans Abstieg
Die Krise ist der dritte Schlag für den bis dahin mächtigsten
Ministerpräsidenten, den die Türkei je hatte. Erdogans Abgang kann der
Gesellschaft nur guttun.
Drastische Zinserhöhung in der Türkei: Kampf dem Kursverfall
Befreiungsschlag der türkischen Notenbank: Um die Entwertung der Lira zu
bremsen, erhöht die Bank die Zinsen. Die Märkte reagieren positiv.
Türkei droht Online-Zensur: „Chinesische Verhältnisse“
In der Türkei regt sich erneut Widerstand: Mit einem neuen Gesetz will die
Regierung das Internet und die Justiz stärker unter ihre Kontrolle bringen.
Korruption bei der türkischen Polizei: Ankara feuert Polizisten und Richter
Mit Massenversetzungen reagiert die türkische Regierung auf die
Korruptionsermittlungen. Betroffen sind fast 500 Polizisten und Mitarbeiter
der Justiz.
Erdogan besucht EU in Brüssel: Weiter uneinig
Der türkische Premier besucht die EU. Doch anstatt sich beim Thema freie
und unabhängige Justiz anzunähern, rücken beide Seiten noch weiter
auseinander.
Proteste in der Türkei: Wasserwerfer für Internetzensur
In Istanbul gehen die Menschen gegen ein geplantes Gesetz zur
Internetzensur auf die Straße. Die Regierung entlässt derweil weiter
Führungspersonal.
AKP reagiert auf Korruptionsermittlungen: Justiz soll Befugnisse verlieren
Die Erdogan-Partei plant, ein Justiz-Kontrollorgan zugunsten der Regierung
zu entmachten. Damit reagiert sie auf Korruptionsermittlungen in ihren
eigenen Reihen.
Korruptionsaffäre in der Türkei: Finanzfahnder zu Verkehrspolizisten
So lässt sich der Ermittlungsdruck wegen der Korruptionsvorwürfe auch
senken: Premier Erdogan versetzt über Nacht Hunderte Beamte.
Türkisches Militär und Erdogan: Neue beste Freunde
Angesichts der Korruptionsaffäre sucht sich der Regierungschef neue
Verbündete. Gemeinsam mit dem Militär wird nun die Justiz angegriffen.
Machtkampf in der Türkei: Militär möchte vor Gericht
Die türkische Armee klagt gegen die Verurteilung hunderter Offiziere. Im
vergangenen Oktober wurden Haftstrafen wegen eines Putschversuchs für
rechtens erklärt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.