| # taz.de -- Drastische Zinserhöhung in der Türkei: Kampf dem Kursverfall | |
| > Befreiungsschlag der türkischen Notenbank: Um die Entwertung der Lira zu | |
| > bremsen, erhöht die Bank die Zinsen. Die Märkte reagieren positiv. | |
| Bild: Aufatmen in Istanbuls Finanzdistrikt: Prompt ist der Wert der Lira um zeh… | |
| ISTANBUL rtr | Mit einer drastischen Zinserhöhung stemmt sich die türkische | |
| Notenbank gegen den Kursverfall der heimischen Währung Lira. Gegen den | |
| erklärten Widerstand von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hob sie den | |
| Leitzins am späten Dienstagabend überraschend deutlich von 4,5 auf 10,0 | |
| Prozent an. Damit soll der Abfluss an ausländischem Kapital gestoppt | |
| werden, der die Lira auf ein Rekordtief zum Dollar gedrückt hatte. | |
| Die Märkte reagierten weltweit positiv auf die Entscheidung. In Asien | |
| legten die Börsen zu, der Dax in Frankfurt sowie der EuroStoxx50 starteten | |
| ebenfalls fester in den Handel. Durch den Zinsschritt in der Türkei seien | |
| die Sorgen um die Folgen einer Drosselung der Dollarflut für die | |
| Schwellenländer etwas in den Hintergrund gedrängt worden, sagte ein | |
| Händler. Der Wert der türkischen Lira stieg im Vergleich zum Wochenbeginn | |
| um rund zehn Prozent auf. Ein Dollar kostete 2,1680 Lira. Am Montag mussten | |
| noch 2,39 Lira bezahlt werden. | |
| Die Währungshüter um ihren Chef Erdem Basci setzten ihren Willen gegen | |
| erheblichen politischen Widerstand durch. „Ich bin gegen eine | |
| Zinserhöhung“, hatte Ministerpräsident Erdogan noch kurz vor der | |
| Krisensitzung der Zentralbank gesagt. | |
| Auch Medien übten Druck aus. „Bleibt standfest, hebt nicht an“, appellierte | |
| die regierungsnahe Zeitung Yeni Safak auf ihrer Titelseite an die | |
| Zentralbanker. Sie wirft der „Zinslobby in New York und London“ vor, die | |
| Lira nach unten geprügelt zu haben und damit die Zentralbank zu erpressen. | |
| Erdogan räumte aber auch ein: „Ich habe nicht die Befugnis, mich bei der | |
| Zentralbank einzumischen“, sagte er. Sie sei „für alles verantwortlich, was | |
| nun entstehen könnte“. | |
| ## Zinsanstieg ist ein „zweischneidiges Schwert“ | |
| Die höheren Zinsen machen es für ausländische Geldgeber attraktiver, ihr | |
| Geld in der Türkei anzulegen. Das wiederum stärkt die Lira. Bei einer | |
| schwachen Währung droht eine höhere Inflation, weil die Türkei viele | |
| Rohstoffe und Waren importieren muss. | |
| Allerdings machen höhere Zinsen Kredite teurer, was Investition und Konsum | |
| und damit auch den Aufschwung bremsen kann. „Der extreme Zinsanstieg ist | |
| ein zweischneidiges Schwert“, sagte der Ökonom Nicholas Spiro vom | |
| Anlageberater Spiro Sovereign Strategy, das sich auf Staatsanleihen | |
| spezialisiert hat. „Es ist mehr als fraglich, ob die türkische Notenbank | |
| diese aggressive Geldpolitik angesichts der schwächeren Konjunktur und | |
| zweier wichtiger Wahlen in diesem Jahr fortsetzen kann.“ | |
| Seit Erdogans Machtübernahme 2002 hat die Türkei einen beachtlichen | |
| wirtschaftlichen Aufstieg hingelegt. Sein autoritärer Führungsstil wird | |
| aber zunehmend kritisiert. Zudem wird Mitgliedern seiner Regierung | |
| Korruption vorgeworfen. | |
| Das alles hat ebenfalls bei ausländischen Investoren zu einem | |
| Vertrauensverlust geführt. Zur Finanzierung ihres Wirtschaftswachstums ist | |
| die Türkei, die mehr importiert als exportiert, stark von ausländischem | |
| Kapital abhängig. | |
| Die Zentralbank versucht mit ihrem aggressiven Schritt auch, Zweifel an | |
| ihrer Unabgängigkeit zu zerstreuen. Der Satz, zu dem sich die Banken über | |
| Nacht Geld bei ihr leihen können, wurde ebenfalls angehoben – und zwar von | |
| 7,75 auf 12,0 Prozent. Experten hatten mit lediglich 10 Prozent gerechnet. | |
| Kapitalverkehrskontrollen, die den Abfluss der Gelder stoppen oder bremsen | |
| könnten, lehnt Notenbankchef Erdem Basci ab. | |
| 29 Jan 2014 | |
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