| # taz.de -- Proteste in der Türkei: Wasserwerfer für Internetzensur | |
| > In Istanbul gehen die Menschen gegen ein geplantes Gesetz zur | |
| > Internetzensur auf die Straße. Die Regierung entlässt derweil weiter | |
| > Führungspersonal. | |
| Bild: Routine in Istanbul. | |
| ISTANBUL ap/afp | Mit Wasserwerfern, Tränengas und Plastikgeschossen haben | |
| türkische Bereitschaftspolizisten eine Demonstration gegen ein geplantes | |
| Gesetz aufgelöst, das die staatliche Kontrolle des Internets ausweiten | |
| soll. Zu der Konfrontation auf dem Istanbuler Taksim-Platz kam es offenbar, | |
| nachdem aus der Menge Brandsätze auf Polizisten geworfen worden waren. | |
| Beamte in zivil nahmen einige Demonstranten fest und führten sie zu | |
| Polizeifahrzeugen. Informationen über Verletzte lagen zunächst nicht vor. | |
| Das geplante Gesetz würde es der türkischen Aufsichtsbehörde für | |
| Telekommunikation erlauben, Webseiten zu blockieren, denen vorgeworfen | |
| wird, die Privatsphäre zu verletzen. Eine richterliche Anordnung dafür soll | |
| nicht erforderlich sein. Zudem soll Internet-Unternehmen auferlegt werden, | |
| Nutzerdaten zwei Jahre zu speichern. Kritiker sehen darin eine Ausweitung | |
| der ohnehin bereits großen staatlichen Kontrolle des Internets und sprechen | |
| von Zensur. Die Regierung weist das zurück und betont, es gehe um den | |
| Schutz der Privatsphäre. | |
| Auch in Ankara gingen Hunderte von Demonstranten gegen das Gesetz auf die | |
| Straße. Berichte über Zusammenstöße in der Hauptstadt gab es nicht. | |
| Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erklärt, dass die | |
| bestehenden türkischen Internet-Regulierungen gegen die Meinungsfreiheit | |
| gerichtet seien. An die 40.000 Webseiten – darunter viele pornografische – | |
| werden in der Türkei nach Angaben von Engelli Web blockiert. Engelli Web | |
| ist eine Seite, die sich mit verbotenen Webseiten befasst. | |
| ## Weitere Entlassungen | |
| Nach Massenentlassungen bei Polizei und Justiz hat die türkische Regierung | |
| nun wichtige Funktionsträger bei staatlichen Aufsichtsbehörden und Medien | |
| gefeuert. So seien drei Spitzenbeamte der Bankenaufsicht BDDK ihrer Ämter | |
| enthoben worden, berichteten türkische Medien am Samstag. Bei der | |
| Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TIB) hätten fünf | |
| Abteilungsleiter gehen müssen, beim staatlichen Fernsehsender TRT seien gar | |
| ein Dutzend leitende Redakteure und Abteilungsleiter vor die Tür gesetzt | |
| worden. | |
| Die Entlassungen stehen offenbar im Zusammenhang mit dem massiven | |
| Korruptionsskandal, der die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip | |
| Erdogan seit Wochen erschüttert. Erdogan hat seinem früheren Verbündeten | |
| und heutigen Erzfeind Fethullah Gülen und dessen islamischer Bewegung | |
| vorgeworfen, den Korruptionsskandal aus politischen Motiven inszeniert zu | |
| haben. Gülens Gefolgsleute sollen auf zahlreichen Schlüsselpositionen in | |
| Justiz, Verwaltung und Wirtschaft sitzen. | |
| Die Zeitung Hürriyet berichtete am Samstag, vor den Entlassungen der drei | |
| Bankenaufseher bei der BDDK seien Tonbandaufnahmen von Gülens Bewegung | |
| aufgetaucht. Darauf sei eine Stimme mit den Worten zu hören: „Wir haben | |
| Leute bei der BDDK.“ Gülen selbst lebt im Exil in den USA. | |
| Bei Polizeirazzien im vergangenen Dezember waren dutzende Verdächtige | |
| festgenommen worden, darunter führende Manager und die Söhne von drei | |
| Ministern, die daraufhin zurücktraten. Erdogan entließ oder versetzte | |
| daraufhin hunderte ranghohe Polizisten und Justizbeamte. Seine Partei für | |
| Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) will überdies die Justiz an ihre Leine | |
| legen. Das Vorgehen hat zu ernsten Sorgen in den USA und in der EU um | |
| Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei geführt. | |
| 19 Jan 2014 | |
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