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# taz.de -- Türkei droht Online-Zensur: „Chinesische Verhältnisse“
> In der Türkei regt sich erneut Widerstand: Mit einem neuen Gesetz will
> die Regierung das Internet und die Justiz stärker unter ihre Kontrolle
> bringen.
Bild: Die Kanäle des Widerstands stören: Das Gesetz würde das türkische Net…
ISTANBUL taz | Mit einem Gesetz, das angeblich dem Schutz der Privatsphäre
im Internet dienen soll, will die türkische Regierung eine massive Zensur
im Internet ermöglichen. Die Gesetzesvorlage sollte in diesen Tagen durchs
Parlament gebracht werden. Das Vorhaben wird nicht nur von der
internetaffinen Jugend des Landes stark kritisiert, sondern auch von den
mächtigen Wirtschaftsverbänden. Die befürchten eine Einschränkung im
Wirtschaftsleben und einen weiteren Imageverlust der Türkei.
Ausgangspunkt der Zensurvorhaben sind die Gezi-Proteste vom vergangenen
Sommer. Seitdem die sozialen Medien – vor allem der Kurznachrichtendienst
Twitter – und alternative Websites die Protestierenden mit Nachrichten
versorgten, die in den Mainstreammedien nicht zu finden waren, versucht die
Regierung nun auch das Internet unter ihre Kontrolle zu bringen.
Mit dem neuen Gesetz, meinte Ahmet B., ein Demonstrant, der mit Tausenden
anderen in der letzten Woche gegen das Vorhaben auf die Straße ging,
„bekommen wir auch in der Türkei chinesische Verhältnisse“. Bisher konnte
die Regierung nur auf Anordnung eines Gerichts beispielsweise YouTube
sperren, wenn dort ein verbotener Film gezeigt wurde. „Das hat man dann
aber gemerkt, und es ließ sich technisch auch umgehen. Die jetzige Zensur
soll viel gezielter stattfinden“, so Ahmet B.
Schon jetzt kann die türkische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB)
Webseiten mit „obszönen“ Inhalten sperren. Das nun im zuständigen
Parlamentsausschuss eingebrachte Gesetz würde diese Befugnis auf
Verletzungen der Privatsphäre, diskriminierende oder beleidigende Inhalte
sowie Maßnahmen zum Schutz von Familie und Kindern erweitern.
Damit könnte dann jede Kritik an einzelnen Politikern oder der Regierung
insgesamt als Beleidigung deklariert und von der staatlichen
Telekommunikationsbehörde aus dem Netz genommen werden. Eine richterliche
Überprüfung wäre nur im Nachhinein und unter erschwerten Bedingungen
möglich.
## Direkte Kontrolle
Zusätzlich sollen die Behörden erweiterte technische Möglichkeiten der
Zensur erhalten: So sollen sie künftig nicht nur die Domain-Bezeichnungen
von Webseiten, sondern auch deren IP-Adressen sperren können. So wäre es
unmöglich, die Zensur durch die Verwendung von Proxy-Servern zu umgehen. In
der vorliegenden Form würde das Gesetz das gesamte türkische Internet unter
die direkte Kontrolle der Telekommunikationsbehörde bringen. Ganz nebenbei
würden die Internetanbieter zur Vorratsdatenspeicherung gezwungen. Experten
zufolge dürfte die Speicherung die Adressen besuchter Webseiten,
Suchanfragen, IP-Adressen und Betreffzeilen von E-Mails umfassen.
Vor allem soll die Justiz künftig bei Internetsperren nahezu vollständig
ausgeschaltet werden, weswegen das Gesetzesvorhaben auch ein Teil einer
umfassenderen Gesetzesnovelle ist, mit der die Regierung die Justiz
insgesamt stärker unter ihre Kontrolle bringen will. Ermittlungen gegen
Angestellte der Telekommunikationsbehörde sollen nur mit Zustimmung ihres
Präsidenten möglich sein. Um Entscheidungen des Behördenchefs selbst zu
überprüfen, wäre die Zustimmung des Kommunikationsministers nötig.
Nachdem Ministerpräsident Erdogan bei einem Besuch in Brüssel in der
letzten Woche auch von der EU-Kommission für sein Vorhaben massiv
kritisiert worden war, hat er nun angekündigt, Teile seines
Gesetzesvorhabens zur Kontrolle der Justiz erst einmal auf Eis zu legen. Ob
auch das Gesetzesvorhaben zur Kontrolle des Internets darunter ist, ist
bislang unbekannt.
27 Jan 2014
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Zensur
Kontrolle
Internet
Gesetz
Zensur
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Twitter / X
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