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# taz.de -- Konzert der Goldenen Zitronen in Berlin: Simulation des Gefahrengeb…
> Seltsam entrückt und doch am Puls der Zeit: Die Goldenen Zitronen im
> vollen Berliner Lido. Die „Goldies“ begeistern alte und neue Fans mit
> engagierten Texten.
Bild: „Sind wir euch zu aggressiv?“ fragt Schorsch Kamerun, Sänger der Gol…
Ein Regisseur hetzt die Schlesische Straße runter. Eben hat er einem
syrischen Freund seine Kreuzberger Wohnung untervermietet, teurer als
ausgemacht. Die Lage ist schließlich top. Er sagt, er habe keine Karte,
wolle aber auf das Zitronen-Konzert. Keine Chance, längst ausverkauft. Er
wundert sich. „Hm, ich dachte, die Zitronen seien längst so was von durch.“
Wenig später füllt sich der Berliner Club Lido mit gut gelaunten Gästen:
herausgeputzte Theatermenschen, Werber, kiffende Langzeitstudenten und
exzentrische Künstlerinnen mit viel Schmuck. Es ist brechend voll und ganz
selbstverständlich, dass man einander auf die Füße tritt. Trotzdem gibt es
jedes Mal eine überhöfliche Entschuldigung und beschämtes Lächeln.
Die Singer-Songwriterin Mary Ocher betritt die Bühne, allein mit ihrer
E-Gitarre. Sie trägt einen Glitzer-BH und Hornbrille. Mit Songs, die
jeweils kaum länger als eine Minute dauern, wechselt sie gesanglich ständig
zwischen schriller Piepstimme und tiefer Inbrunst. Ocher, die 1986 in
Moskau geboren und später in Tel Aviv aufgewachsen ist, erzählt, dass sie
mit 21 Jahren in ein Berliner Wohnprojekt gezogen sei. Dort hätten all ihre
Mitbewohner Die Goldenen Zitronen gehört.
Merkwürdig, aber tatsächlich schaffen es die Zitronen auch nach 30-jährigem
Bestehen noch, Twentysomethings für ihre Liveshows zu rekrutieren. Wie geht
das? Die Antwort pumpt in Gestalt einer bösartigen Synthie-Bassline durch
den Saal. „Der Investor“ vom [1][neuen Album] „Who’s bad?“ eröffnet …
Show und schießt direkt ins Genick. „Wir haben auch so unsere Visionen / In
denen könnt ihr arbeiten und wohnen“, schlägt Sänger Schorsch Kamerun in
der Rolle des Investors seinen verwertungswürdigen „kreativen Diven“ vor.
## Auch alte Songs klingen aktuell
Nicht nur stilistisch sind die Goldies am Puls der Zeit. Die
Privatisierungsvorhaben von ebensolchen Investoren haben ihre Heimatstadt
in den vergangenen Wochen in einen Ausnahmezustand versetzt. Zum direkten
Kommentar versucht nur Zitronen-Mitglied Ted Gaier anzusetzen, wird von
Bandkollegen aber schnell unterbrochen.
Schließlich können die Songs durchaus für sich sprechen. So auch „Kaufleute
2.0.1.“, ein schön groovendes Stück, das fordert und fragt: „Gebt den
Menschen mehr Zeit / und schenkt ihnen viel mehr Raum! / Ist das schon Rom
oder / ist das noch Sankt Pauli?“ Zugleich wirkt die Band mit ihren
abgespaceten Hippie-Outfits seltsam entrückt.
Auf einer Leinwandprojektion sieht man Scheichs in der Wüste herumstehen
und Ted Gaier zupft hübsche Melodien auf einer türkischen Baglama. Dann
gibt es wieder Halftime-Techno für die tanzende Menge, und Kamerun kann
sich einen Seitenhieb auf die Hamburger Krawallmacher nicht verkneifen:
„Sind wir euch zu aggressiv?“ Zwischendurch wird das Saallicht vollständig
gelöscht, der Sänger verlangt im Befehlston die Ausweispapiere: eine
Simulation des Hamburger Gefahrengebiets.
„Das bisschen Totschlag“ von 1994 beendet das Konzert zunächst. Das Lied
dreht sich um den Angriff auf das Asylbewerberheim in Hoyerswerda. Dass
letzte Woche wieder ein Heim bei München in Brand gesteckt wurde, macht den
Song aktuell. Leider. Zu Recht folgen noch drei Zugaberunden.
12 Jan 2014
## LINKS
[1] /Goldene-Zitronen-ueber-neues-Album/!123708/
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Goldene Zitronen
Schorsch Kamerun
Hamburg
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Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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Goldene Zitronen
Neues Album
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