# taz.de -- Populismusattacke auf Energiewende: Viel Gegenwind für Seehofer | |
> Erneut hatte Bayerns Ministerpräsident den Bau neuer Stromtrassen in | |
> Frage gestellt. Dafür gab es Kritik aus allen Lagern – vom Grünen Anton | |
> Hofreiter bis zu Kanzlerin Merkel. | |
Bild: Widerstand gegen Stromtrassen: Diese Demonstrantin im bayrischen Berching… | |
ERFURT/DRESDEN afp/rtr | Bundeskanzlerin Angela Merkel will die | |
Energiewende nicht durch Bedenken der bayerischen Schwesterpartei CSU gegen | |
den Bau neuer Stromtrassen ausbremsen lassen. Merkel erinnerte am Samstag | |
in Erfurt daran, dass auch CSU-Chef Horst Seehofer im vergangenen Jahr den | |
Plänen für große neue Trassen von Nord nach Süd zugestimmt habe. | |
Seehofer hatte zuvor mit einem neuerlichen Vorstoß gegen den bei vielen | |
Bürgern unpopulären Trassenausbau für Verärgerung unter den | |
Koalitionspartnern gesorgt. Beim Thema Netzausbau könne „man nicht einfach | |
sagen: Einmal beschlossen, immer beschlossen“, sagte Seehofer der Bild vom | |
Samstag. Er verlangte, „dass die großen Stromtrassen nach Bayern noch | |
einmal auf ihre Notwendigkeit und auf ihre Machbarkeit hin überprüft | |
werden“. | |
Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, attackierte | |
Seehofer und sagte am Samstag beim Grünen-Parteitag, der bayerische | |
Ministerpräsident sei schon wieder „durchgeknallt“. | |
„Ja, was will er denn?“, fragte Hofreiter. Wolle Seehofer neue | |
Kohlekraftwerke bauen oder wolle er sogar Atomkraftwerke länger laufen | |
lassen? Beim Klimaschutz drohe ein massiver Rückschritt, warnte der | |
Grünen-Politiker. „Es ist unsere Kernaufgabe, sich diesem Rollback | |
entgegenzustellen – und das mit aller, aller Kraft.“ | |
## Merkel sieht nur Einigkeit | |
Merkel sagte in Erfurt, sie stehe mit Seehofer „in einem guten Gespräch“ | |
über den Netzausbau. „Es wird Gleichspannungsleitungen geben, darüber sind | |
wir uns auch alle einig“, betonte sie. Die Pläne dafür seien in „großer | |
Übereinstimmung mit allen Ministerpräsidenten“ gefasst worden. Natürlich | |
würden die Projekte wie von Seehofer gefordert immer wieder überprüft, | |
sagte Merkel. Bei den Plänen für die großen Stromtrassen sei es aber | |
wahrscheinlich, „dass man sagen wird: Das bleibt“. | |
Die Betreiber des größten Netzausbauprojektes der Energiewende hatten am | |
Mittwoch [1][den geplanten Verlauf] der längsten neuen Stromtrasse | |
vorgestellt. Die rund 800 Kilometer lange sogenannte Suedlink-Verbindung | |
soll ab 2022 Windstrom von Schleswig-Holstein bis nach Bayern | |
transportieren. | |
Die bayerische Staatsregierung hatte den Ausbau des Stromleitungsnetzes | |
wegen der bevorstehenden Reform des EEG-Gesetzes in Frage gestellt. | |
CSU-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer forderte nach Bürgerprotesten | |
gegen neue Höchstspannungsleitungen ein Moratorium für den Stromtrassenbau | |
in Bayern. Dort sind im März Kommunalwahlen. | |
Ein solches Moratorium sei „sicher keine Antwort“ auf die mangelnde | |
Akzeptanz der Trassen bei der Bevölkerung, entgegnete nun die Kanzlerin. | |
„Wir können nicht erst 2018 anfangen, den Plan für die HGÜs zu besprechen.… | |
HGÜs sind Trassen zur Übertragung von Hochspannungs-Gleichstrom, wie sie | |
nun ausgebaut werden sollen. | |
## Klimaschaden auch in der Koalition | |
Seehofers Vorgehen belastet zusehends das Klima in der großen Koalition. | |
„Nur aus Angst vor der Kommunalwahl in Bayern die Republik verrückt machen | |
und die Zukunft der Wirtschaft aufs Spiel setzen, ist selbst für Horst | |
Seehofer ein bisher unerreichtes Niveau an politischer Raserei", sagte | |
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi Spiegel Online. | |
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte dem Sender SWR2: „Ich | |
glaube nicht, dass man als verantwortlicher Politiker sich so verhalten | |
darf.“ Es sei nicht möglich, gleichzeitig die Atomenergie abzuschalten, | |
Windräder zu verhindern und neue Stromtrassen nicht zuzulassen. | |
Auch unter den Ländern rief Seehofer Unmut hervor: Nordrhein-Westfalens | |
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kritisierte im Focus: | |
„Partikularinteressen und Lokalpolitik dürfen die Energiewende nicht | |
gefährden.“ Ihr Kollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sagte | |
dem Magazin, das geforderte Moratorium sei „nicht nur in der Sache | |
unverständlich, sondern sogar kontraproduktiv für die Versorgungssicherheit | |
Bayerns“. | |
8 Feb 2014 | |
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