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# taz.de -- Kommentar Edathy-Affäre: Das Strafrecht ist keine Moralkeule
> Edathys Handeln kann man verwerflich finden. Doch das Strafrecht darf
> nicht missbraucht werden, um Menschen zu outen, die keine Gesetze
> gebrochen haben.
Bild: „Bürgerlich und politisch tot“ aber wohl kein Gesetzesbrecher: Sebas…
Die Berliner Charité betreibt seit einigen Jahren das hochgelobte Projekt
„Kein Täter werden“. Männer mit pädophilen Neigungen sollen dort lernen,
ihre sexuellen Fantasien nicht auszuleben. Auch wenn sie nicht therapierbar
seien, bedeute dies nicht, dass jeder von ihnen Kindesmissbrauch begehen
müsse, betonen die Ärzte.
Bleibt die Frage, was Pädophile, die keine Straftaten begehen, beruflich
machen dürfen. Kindergärtner oder Lehrer sollten sie nicht werden. Aber
dürfen sie Bäcker, Richter oder Bundestagsabgeordneter werden? Ja,
natürlich. Die Alternative hieße, ihnen ein lebenslanges Berufsverbot zu
erteilen.
Die Mehrheit in Deutschland dürfte allerdings Männer mit pädophilen
Neigungen ebenso wenig in öffentlichen Ämtern sehen wollen wie etwa
Bordellbesucher. Dafür mag es gute Gründe geben. Nicht legitim ist es aber,
das Strafrecht zu missbrauchen, um Personen zu outen, die sich
strafrechtlich nichts zuschulden kommen haben lassen.
Bei Edathy argumentieren Ermittler damit, dass ein Teil derjenigen, die
strafrechtlich belanglose Nacktbilder von Jungen bestellen, auch
strafrechtlich relevante Kinderpornografie ordern würden. Dass auch der
andere Teil nach einem solchen Verfahren „bürgerlich und politisch tot“
ist, wie es die Strafrechtlerin Monika Frommel formuliert, nehmen sie
billigend in Kauf.
Wenn die Bundesregierung den Ankauf solcher Bilder für strafwürdig
befindet, muss sie ihn verbieten. Macht sie das nicht, müssen Käufer vor
Verfolgung geschützt werden. Schließlich ist auch nicht jeder Porschefahrer
ein Temposünder – selbst wenn der Verdacht naheliegt.
## Ähnlich bei Prostitution
Ähnlich ist die Lage derzeit beim Thema Prostitution. Ein Teil der
Bevölkerung drängt auf ein vollständiges Verbot. Die Bundesregierung lehnt
das ab, plant aber einen fragwürdigen Mittelweg: Die Freier von
Zwangsprostituierten sollen bestraft werden. Weil in der Praxis der
Nachweis kaum zu führen ist, dürften zahlreiche Bordellbesucher geoutet
werden, denen juristisch nichts vorzuwerfen ist.
Auch hier gilt: Wenn die Bundesregierung Prostitution für schädlich hält,
muss sie sie direkt verbieten. Sie darf aber nicht den Umweg über das
Outing wählen. Strafrecht muss präzise sein, es darf nicht als Moralkeule
genutzt werden.
Wenn der Fall Edathy zu etwas gut sein könnte, dann dazu, der
Bundesregierung diese Erkenntnis nahezubringen. Schon aus Eigeninteresse:
Dass sich Männer mit pädophilen Neigungen im Bundestag befinden, war nicht
unbedingt zu vermuten. Dass Abgeordnete Bordellbesucher sein könnten, ist
schon wahrscheinlicher.
16 Feb 2014
## AUTOREN
Martin Reeh
## TAGS
Sebastian Edathy
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Strafrecht
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Schwerpunkt Angela Merkel
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