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# taz.de -- Schlagloch Außenpolitik: Sind wir die Guten?
> Der Bundespräsident sagt: „Dies ist ein gutes Deutschland“. Kinder
> fragen: Sind die anderen nicht gut? Über Störer, Böse und Superböse.
Bild: Die Achse der Guten? Des Bösen? Kettenfahrzeug der Bundeswehr.
In Cormack McCarthys Roman „The Road“ kämpfen sich ein Mann und sein etwa
zwölfjähriger Sohn durch eine kaputte, postapokalyptische Welt voller
Kannibalen, Wahnsinniger und Mörder. An einer besonders erschreckenden
Stelle stellt der Junge seinem Vater die entscheidende Frage: „Sind wir
noch die Guten?“
Stellen wir uns ein zwölfjähriges Kind vor, das trotz iPads, Barbies und
World of Warcraft diese Frage an uns stellt, vor dem laufenden Fernseher
mit seinen Nachrichten aus der kaputten, kannibalischen Welt: „Sind wir
noch die Guten?“
Im Grunde hat das Fernsehen nur diese eine Botschaft zu verkünden: Die Welt
ist chaotisch, voller Böser, gewalttätig und schwer zu verstehen. Aber wir
sind in jedem Fall die Guten.
Das ist dieser Tage besonders wichtig, weil sich so vieles ändert, auch
wenn man es nicht gleich merkt. An einem Tag sprechen nacheinander der
Bundespräsident, die Verteidigungsministerin und der Außenminister über die
neue Rolle Deutschlands in der Welt, von der „fundamentalen Neuausrichtung
der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“.
## Die frohe Fernsehbotschaft
Irgendwie beunruhigt das schon; was mag das heißen? Dass wir öfter und mehr
Soldaten schicken nach noch mehr Ländern. Aber Soldaten darf man nur
schicken, wenn man genau weiß, dass man zu den Guten gehört, oder? Und dass
man damit den Guten hilft. Schön, wenn der Bundespräsident uns kategorisch
jede Sorge nimmt: „Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir
kennen“, hat er gesagt, und: „Es ist eine stabile Demokratie, frei und
friedliebend, wohlhabend und offen.“ Sind die, die Deutschland anders
sehen, also automatisch die Bösen?
Auch deswegen haben die Politiker das mit dem guten Deutschland sagen
können, wie es ihnen die Experten von der Stiftung Wissenschaft und Politik
ja auch diktiert haben, die ansonsten die Welt in die „Mitstreiter“,
„Herausforderer“ und „Störer“ einteilen. Russland ist zum Beispiel ein
Herausforderer, Syrien ein Störer. Dazu kommt die Einteilung in „prioritär�…
und „sekundär“, also in wichtig und nicht so wichtig.
Kuba und Venezuela zum Beispiel sind unwichtige Störer, die USA und die EU
superwichtige Mitstreiter. Die wichtigen Störer bzw. Herausforderer soll
man „einbinden“, die unwichtigen dagegen „einhegen“, man könnte auch s…
isolieren, vergessen. Das dahinterstehende Weltbild ist so einfach, dass es
jeder Bundespräsident, jede Verteidigungsministerin und jedes zwölfjährige
Kind sofort versteht.
## Was nicht zählt, ist der Mensch
Die Frage, ob wir noch zu den Guten gehören, beantwortet man damit aber
nicht. Weil konkrete Menschen einem solchen „Strategiepapier“ völlig
gleichgültig sind. Und weil es auch heißt, dass wir die Frage nach Gut und
Böse gar nicht mehr stellen sollten.
Aber auch, weil man natürlich das „Wir“ nicht immer bestimmen kann. Gehör…
die Demonstranten, die keinen überflüssigen unterirdischen Bahnhof haben
wollen, zu den Guten, oder sind das die Polizeibeamten, die mit
Pfefferspray und Gummiknüppeln dafür sorgen, dass die Störer wegkommen?
Sind die Reichen, die was spenden, die Guten und die Armen, die was
kaputtmachen, die Bösen? Schmeißen die Politiker immer diejenigen raus, die
nicht mehr zu den Guten gehören? Am Ende steht man sehr allein da mit der
Frage: Sind wir die Guten? Allein wie in „The Road“.
Was man aber sehen kann: Es gibt sehr viele Leute, die nicht zu den Guten
gehören wollen. Sie wollen die Besseren sein, vielleicht sogar die Besten.
Aber niemand kann zugleich ein Guter und ein Besserer sein. Deshalb müssen
die Vertreter des Besserseins, die Sarrazins usw., auch behaupten, dass
Gutsein etwas für Weicheier und Gleichmacher ist. Wenn man es genau nimmt,
ist die Frage, ob wir die Guten sind, nämlich schon eine Störerfrage. Es
geht um Wettbewerb, und den hat noch niemand mit Zu-den-Guten-Gehören
gewonnen.
Die Verteidigungsministerin wiederum sagt, dass wir die Menschen in Afrika
nicht im Stich lassen. Aber wenn sie zu uns wollen, weil sie es in Afrika
nicht mehr aushalten, werfen wir sie zurück, und wenn sie es doch hierher
schaffen, behandeln wir sie so schlecht, dass nicht noch mehr von ihnen auf
die Idee kommen. So etwas täten keine Guten, aber die Besseren, die machen
das ohne Weiteres.
## Und wer sind die Superbösen?
Die Superbösen indes sind Störer, die sich nicht einmal an die Regeln der
Konkurrenz halten. Das hat mit dem System zu tun, das bei ihnen herrscht.
Die Superbösen haben keine Freiheit und keine Marktwirtschaft. Die
Herausforderer haben Kapitalismus, aber einen anderen als wir. Dort ist der
Staat die größte Macht; der Kapitalismus darf machen, was er will, nur
nichts gegen den Staat. Bei uns, den Guten, ist es umgekehrt. Bei den Bösen
setzt der Staat den Kapitalismus ein, um sich Vorteile gegenüber den
anderen Staaten zu verschaffen. Bei den Guten setzt der Kapitalismus einen
Staat ein, um sich Vorteile gegenüber anderen Kapitalisten zu verschaffen.
In der Ukraine sieht das so aus: Die Bösen wollen das Land für ihren Staat,
und die Guten wollen den Markt für ihre Wirtschaft und ihre Medien. Die
Bösen drohen mit Soldaten, und die Guten locken mit Geld. Ihre Soldaten
schicken die Guten lieber nach Afrika, weil das, wie Gerd Müller von der
CSU im „Morgenmagazin“ sagt, schließlich ein „Chancen- und
Wachstumskontingent“ ist. Da ist noch was zu holen, dafür bringen wir die
Freiheit.
In der Ukraine hingegen hatten wir einen Despoten, der sich genauso goldene
Badewannen bauen ließ wie bei uns ein Bischof. Eindeutig keiner von den
Guten. Die Guten wollten ihn weghaben. Und sie wollen nach Europa. Und das
gute Europa will auch. Die Bösen aber wollen Russland und nennen die Guten
Faschisten. Das kommt wahrscheinlich alles von der Propaganda. Wo die Guten
nämlich die Freiheit haben, haben die Bösen Propaganda. Darin unterscheidet
sich nämlich auch die Kinderfrage. Nämlich ganz nach Wohnort: Moskau oder
Berlin.
Die Antwort auf die Frage jedenfalls ist fast immer: ja. Und sie ist immer
gelogen. Erwachsenwerden beginnt mit der Erkenntnis, dass es keine ehrliche
Antwort gibt.
9 Mar 2014
## AUTOREN
Georg Seeßlen
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