# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Kiew dreht der Krim den Gel… | |
> Der Streit um die Krim geht weiter. Die Frage, wer hinter den | |
> Todesschüssen vom Maidan steckte, bleibt strittig. Und der Chef des | |
> Rechten Sektors will Präsident werden. | |
Bild: Putin-Gegner unter sich: Michail Chodorkowski (m.) diskutiert mit Maidan-… | |
KIEW/SIMFEROPOL/BERLN ap/dpa/afp/rtr | Im erbitterten Streit um die Krim | |
hat die neue prowestliche Regierung in Kiew der moskautreuen Führung der | |
Halbinsel den Geldhahn zugedreht. Wegen einer Sperrung der Bankkonten könne | |
das Autonome Gebiet laufende Geschäfte nicht mehr finanzieren, sagte | |
Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew am Sonntag in Simferopol. Die | |
Führung habe sich bereits an Moskau gewandt, um bei russischen Banken | |
Konten zu eröffnen. Die Halbinsel werde sowieso die russische Währung Rubel | |
einführen, sollte die Mehrheit der Krim-Bevölkerung am kommenden Sonntag – | |
wie erwartet – für einen Beitritt zu Russland stimmen, sagte Temirgalijew. | |
Derweil attackierten prorussische Einheiten nach Angaben der Regierung in | |
Kiew erneut ukrainische Militärstellungen auf der Krim. Mindestens 30 | |
bewaffnete Männer in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien in einen | |
Stützpunkt im Westen der Halbinsel eingedrungen und hätten Technik | |
zerstört, teilte das Verteidigungsministerium mit. | |
Auch auf den Straßen Sewastopols kam es am Sonntag zu Zusammenstößen | |
zwischen Anhängern Moskaus und Unterstützern der neuen Regierung in Kiew. | |
Rund hundert Menschen sollen mit Knüppeln mehrere Ordnungskräfte attackiert | |
haben, die eine Kundgebung zum 200. Jahrestag des Geburtstags des | |
[1][ukrainischen Nationalhelden Taras Schewtschenko] beschützten. Einige | |
der Angreifer waren vermummt und trugen schusssichere Westen. | |
Die Angreifer zerstörten ein Auto und blockierten die Ordnungskräfte, | |
zunächst war aber unklar, ob es Verletzte gab. Zu der Kundgebung für | |
Schewtschenko kamen rund 200 Menschen. Sie schwenkten ukrainische Fahnen, | |
sangen die Nationalhymne und kritisierten die „russische Besetzung“ der | |
Krim. | |
Die Partei Udar (Schlag) von Ex-Boxchampion Vitali Klitschko forderte am | |
Sonntag die Schließung der ukrainischen Grenze mit Russland sowie eine | |
Sperrung des Luftraums der Ex-Sowjetrepublik. Die Führung in Kiew müsse | |
verhindern, dass „Provokateure“ aus Russland ihre „Aggression“ fortsetz… | |
könnten, hieß es in einer Mitteilung. | |
Die neue prowestliche Führung der Ukaine erhält inzwischen sogar | |
Unterstützung aus den Reihen der russischen Opposition. Ex-Kremlkritiker | |
Michail Chodorkowski hat am Wochenende das Protestlager auf dem Maidan in | |
Kiew besucht. Er habe in Begleitung des ehemaligen Innenministers Juri | |
Luzenko mit den Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz gesprochen, teilte | |
Chodorkowski mit. Er war im Dezember nach zehn Jahren in russischer | |
Lagerhaft freigekommen. | |
Der Chef der ultra-nationalistischen Bewegung Rechter Sektor in der | |
Ukraine, Dmitro Jarosch, hat angekündigt, bei der Präsidentenwahl am 25. | |
Mai anzutreten. Der Übergangsregierung, warf der 42-Jährige am Samstag vor, | |
unprofessionell zu arbeiten und das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren. | |
Der Chef der paramilitärischen Gruppe gehört als Vizeminister für Nationale | |
Sicherheit selbst der Interimsregierung an, die sich nach dem Sturz von | |
Präsident Viktor Janukowitsch bildete. Jarosch verlangt das Verbot der | |
Partei Janukowitschs und der Kommunistischen Partei. | |
Bislang hat bereits Klitschko seine Kandidatur angekündigt. Auch | |
Ex-Außenminister Petro Poroschenko und Ex-Ministerpräsidentin Julia | |
Timoschenko sind im Gespräch. Jarosch geht nach Ansicht von Experten als | |
krasser Außenseiter in die Wahl. Russland wirft ihm Anstiftung zum | |
Terrorismus vor. | |
## Lawrow: OSZE soll Todesschüsse untersuchen | |
Auch der Kampf um die Aufklärung der Todesschüsse auf dem Maidan wird immer | |
heftiger. Die ukrainische Übergangsregierung und der Kreml liefern ganz | |
unterschiedliche Erklärungen der Ereignisse vom 20. Februar, die Dutzende | |
Menschen das Leben kosteten. Für die neue Führung geht es um die | |
Glaubwürdigkeit - beim eigenen Volk und innerhalb der internationalen | |
Gemeinschaft. | |
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte am Samstag eine | |
Untersuchung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa | |
(OSZE) zu den Todesschüssen in Kiew gefordert. Es gebe „zu viele Lügen“ in | |
der offiziellen Version, dass allein die Sicherheitskräfte des nach | |
Russland geflohenen früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch an dem Blutbad | |
schuld seien, sagte Lawrow. | |
Tatsächlich konzentrierten die ukrainischen Behörden sich in ihren | |
Ermittlungen bisher auf die Regierung des gestürzten Präsidenten Viktor | |
Janukowitsch als wahrscheinlich Verantwortlichen. Nun steht aber auch die | |
Theorie im Raum, Russland habe möglicherweise die Gewalt anfachen wollen, | |
um ein militärisches Eingreifen zu rechtfertigen. | |
Der Kreml erklärt dagegen, die Scharfschützen seien von Anführern der | |
Opposition angeheuert worden. Ihr Ziel sei es gewesen, im In- und Ausland | |
Empörung über die Regierung auszulösen. Der neue ukrainische | |
Gesundheitsminister Oleh Musij, der als Arzt die medizinische Versorgung am | |
Rande der Protestaktionen organisierte, erklärte, die Opfer aus den Reihen | |
der Opposition und der Sicherheitskräfte wiesen ganz ähnliche Schusswunden | |
auf. | |
## Gab es eine dritte Kraft? | |
Die forensischen Beweise deuten daraufhin, dass die Schützen versucht | |
hätten, die Auseinandersetzungen anzuheizen, um Janukowitsch stürzen zu | |
können und einen Grund für einen russischen Einmarsch zu liefern. Er | |
glaube, nicht nur ein Teil des alten Regimes habe die Provokation geplant, | |
„sondern das war auch die Arbeit russischer Spezialkräfte, die der | |
Ideologie des alten Regimes dienten“, erklärte Musij. | |
So viel steht fest: Scharfschützen feuerten von Dächern und aus Fenstern | |
auf den Maidan im Herzen der Hauptstadt Kiew. Einige Opfer waren Anhänger | |
der Opposition, aber viele waren auch Passanten, die eindeutig nicht an den | |
Demonstrationen beteiligt waren, Ärzte und Polizeibeamte. Die Kugeln wurden | |
der Staatsanwaltschaft zufolge vom Gebäude der Nationalbank, mehrere | |
hundert Meter vom Maidan entfernt, abgefeuert, vom Hotel Ukraine direkt an | |
dem Platz und von einem Verwaltungsgebäude. | |
Innenminister Arsen Awakow deutete am Dienstag erstmals an, dass die | |
Ermittlungen sich nicht mehr nur auf die alte ukrainische Regierung | |
konzentrieren. „Ich kann nur eins sagen: Der wichtigste Faktor in diesem | |
Aufstand, der Blut in Kiew vergoss und der das Land auf den Kopf stellte | |
und schockierte, war eine dritte Kraft“, sagte der Minister. „Und diese | |
Kraft war keine ukrainische.“ | |
Russland nutzte die unklaren Verantwortlichkeiten, um die neue ukrainische | |
Führung zu diskreditieren. Kremlchef Wladimir Putin erklärte am Dienstag in | |
einer Pressekonferenz, die Scharfschützen seien möglicherweise | |
„Provokateure aus den Reihen der Oppositionsparteien gewesen“. | |
Tatsächlich wurde einen Tag später ein Telefongespräch zwischen der | |
EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem estnischen Außenminister | |
Urmas Paet veröffentlicht, das Putins Theorie zu stützen scheint. In dem | |
Telefonat vom 26. Februar, das der russische Fernsehsender Russia Today | |
veröffentlichte, erklärte Paet, er habe während eines Besuchs in Kiew von | |
Demonstranten erfahren, dass Janukowitsch-Gegner hinter den Schüssen vom | |
20. Februar steckten. | |
Ein Arzt habe ihm gesagt, dass Polizeibeamte und Demonstranten von Kugeln | |
desselben Kalibers getötet worden seien. Inzwischen werde immer mehr | |
angenommen, dass irgendjemand aus der neuen Koalition die Heckenschützen | |
beauftragt habe, erklärte Paet weiter. | |
Der estnische Minister bestätigte inzwischen die Echtheit der Aufnahme. Er | |
sagte vor Journalisten in Tallinn, er habe nur wiedergegeben, was er von | |
dem Arzt Olha Bogomolets gehört habe. Er könne dessen Aussagen aber nicht | |
bestätigen. | |
## Menschen „wurden umgemäht wie gras“ | |
Der frühere Vize-Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU meldete | |
sich am Donnerstag in einem Zeitungsinterview zu Wort. Hennadi Moskal | |
erklärte, für die tödlichen Schüsse auf dem Maidan seien Heckenschützen des | |
Innenministeriums und des SBU verantwortlich und nicht ausländische | |
Agenten. „Die Scharfschützen erhielten den Befehl, nicht nur auf | |
Demonstranten zu schießen, sondern auch auf Polizisten“, sagte Moskal der | |
Zeitung zufolge. „Das geschah, um den Konflikt eskalieren zu lassen und | |
eine Polizeioperation zur Räumung des Maidans zu rechtfertigen.“ | |
Der 57 Jahre alte Alexander Tonskich erlitt auf dem Maidan eine | |
Schusswunde. Er erzählt, er habe sich gemeinsam mit zahlreichen anderen | |
Demonstranten am Morgen des 20. Februar in Richtung Süden vom Maidan | |
entfernt. Die Polizisten hätten sich plötzlich zurückgezogen und dann seien | |
schon aus zwei Richtungen die Schüsse gefallen. Die Menschen „wurden | |
umgemäht wie Gras“. Mindestens zehn seien sofort tot gewesen. | |
Danach sei aus einer dritten Richtung geschossen worden. Er habe sich | |
hinter einem Baum versteckt, sei aber dennoch von einer Kugel getroffen | |
worden, die in seinen rechten Arm eintrat, seine Lunge durchschlug und | |
unterhalb des Herzens steckenblieb. Dann verlor er das Bewusstsein. | |
## 40 Verletzte werden nach Deutschland geflogen | |
Die deutsche Luftwaffe bringt einem Zeitungsbericht zufolge 40 bei | |
Straßenschlachten verletzte Ukrainer zur medizinischen Behandlung nach | |
Deutschland. Ein Bundeswehr-Airbus werde die Patienten kommende Woche nach | |
Berlin bringen, von wo aus sie in verschiedene Kliniken gebracht würden, | |
berichtete die Bild am Sonntag. Unter ihnen seien Demonstranten und | |
Polizisten, die am Rande der Proteste auf dem Maidan-Platz verwundet worden | |
seien - viele von ihnen durch Schüsse. | |
„Den Verletzten wollen wir helfen, wieder ein gutes und möglichst normales | |
Leben führen zu können“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier | |
(SPD) der Zeitung. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) | |
bezeichnete es als „Selbstverständlichkeit, dass Deutschland Solidarität | |
mit den Menschen der Ukraine zeigt. Die Ärzteteams der Bundeswehr sind | |
bereits in Kiew vor Ort und bereiten alles vor.“ | |
Dem Bericht zufolge hatten Vertreter des ukrainischen Parlaments die | |
deutsche Botschaft in Kiew um Hilfe gebeten, da die Patienten in der | |
Ukraine unzureichend behandelt würden. Die Regierung in Kiew kündigte zudem | |
an, auch mehrere Verletzte der blutigen Straßenschlachten zur weiteren | |
Behandlung nach Israel auszufliegen. | |
## Agressiver Virus in ukrainischen Behördencomputern | |
Britischen Experten zufolge werden Computersysteme in der Ukraine seit | |
geraumer Zeit von einem besonders aggressiven Virus heimgesucht. Der erste | |
Befall sei bereits im Jahr 2013 registriert worden, teilte das britische | |
Unternehmen BAE Systems am späten Freitag mit. Bei dem Virus namens „Snake“ | |
handle es sich um eine der „anspruchsvollsten und beharrlichsten | |
Bedrohungen“, die Experten geläufig seien. | |
Das Virus ist den Angaben zufolge bereits seit Jahren bekannt. Es sei aber | |
weiterentwickelt worden und seit dem vergangenen Jahr, vor allem aber seit | |
Jahresbeginn vermehrt in Umlauf gebracht worden. Laut BAE Systems ist ein | |
vorrangiges Ziel die Ukraine. Es gebe Hinweise, dass „Snake“ aus Russland | |
gesteuert werde. Das Virus erlaubt es demnach denjenigen, die es | |
kontrollieren, umfassend auf Rechner zuzugreifen. | |
9 Mar 2014 | |
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