| # taz.de -- Gute & böse Einwanderer: "Sterbeflüchtlinge sind gute Flüchtling… | |
| > Anlässlich der Schweizer Volksinitiative „Gegen Massen-Einwanderung“ | |
| > konzipierte Schauspielerin und Autorin Laura de Weck „Espace Schengen“. | |
| Bild: Das Ziel heißt "Durcheinanderwirbelung": Christian Bayer, Viktor Marek, … | |
| HAMBURG taz |Aus rechten Parolen werden Schlager, aus Gerichtstexten | |
| Gedichte: So versucht die in Hamburg lebende Schweizerin Laura de Weck den | |
| Rassismus der juristischen, politischen, medialen, aber auch unserer | |
| Alltagssprache zu entlarven. In ihrem Stück „Espace Schengen“, das am | |
| Donnerstag auf [1][Kampnagel] Hamburg-Premiere feiert, seziert sie die | |
| unterschiedlichen Begriffe, mit denen in der Schweiz Einwanderer in gute | |
| und böse sortiert werden – also in wirtschaftlich nützliche und unnütze. | |
| Anlass der Mischung aus Konzert und Performance, die im September 2013 in | |
| Zürich uraufgeführt wurde, war die zwei Monate zuvor initiierte | |
| Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der rechtspopulistischen | |
| Schweizerischen Volkspartei (SVP). | |
| Am 9. Februar 2014 stimmten dann 50,3 Prozent der Schweizer für eine | |
| Begrenzung der Zuwanderung, vor allem die von sogenannten unqualifizierten | |
| Ausländern; gegen die Kampagne hatten sich nicht nur die konservativen und | |
| linken Parteien der Schweiz, sondern auch die Wirtschaft- und | |
| Wissenschaftsverbände gestellt. Der Erfolg der SVP-Initiative bedeutet die | |
| Änderung diverser EU-Verträge, vor allem die Aufhebung der | |
| Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und den EU-Staaten. | |
| ## Ausgrenzung durch Sprache ist kein Witz | |
| "Als das Stück in Zürich uraufgeführt wurde, haben viele Zuschauer es als | |
| Überhöhung oder als Satire verstanden", erzählt de Weck. "Mitte Februar | |
| haben wir 'Espace Schengen' in Freiburg aufgeführt. Da war den Leuten klar, | |
| dass die Ausgrenzung durch Sprache tatsächlich in unseren Köpfen feststeckt | |
| und unsere Realität prägt." | |
| Ausländerfeindlichkeit, so beobachtet de Weck, sei in der Schweiz | |
| „salonfähiger“ als in Deutschland, ein Rechtsruck aber auch hierzulande zu | |
| beobachten. „Es gibt ja durchaus Meinungen, die vertreten, Spanier oder | |
| Griechen anders zu behandeln, weil sie der EU weniger wirtschaftlichen | |
| Ertrag bringen als zum Beispiel Deutschland.“ | |
| In „Espace Schengen“ untersucht sie die Unterscheidung zwischen | |
| Wirtschafts- und „richtigen“ Flüchtlingen, zwischen Asylanten und | |
| hochqualifizierten Einwanderern, zwischen guten Ausländern – wie den | |
| unterstellt fleißigen Chinesen – und schlechten – wie den angeblich | |
| zunehmend islamistischen Türken. „Außerdem gibt es bei uns noch die | |
| Sterbetouristen, die in die Schweiz gehen, weil Sterbehilfe dort legal ist. | |
| Aber auch das sind gute Ausländer, denn die bleiben ja nicht lange.“ | |
| ## Absurde Definition | |
| Die Absurdität und den Zynismus dieser Definitionen führt sie an Texten | |
| aus, die sie aus dokumentarischem Material wie Gesetzestexten, Prospekten | |
| oder Ausländerstatistiken collagiert hat. | |
| Am kuriosesten findet de Weck dabei den Begriff des Steuerflüchtlings: „Das | |
| Wort ’Flüchtling‘ suggeriert ja, dass jemand aus großer Not fliehen muss. | |
| Wenn jetzt mehrere deutsche Berühmtheiten sagen, die Politik ist in | |
| Deutschland so schlecht zu uns, dass wir keine andere Wahl haben, als unser | |
| Geld in die Schweiz zu flüchten, dann finde ich das schon ziemlich | |
| merkwürdig.“ | |
| Es ist schwierig, gibt die 32-Jährige zu, bei einer solchen Thematik nicht | |
| in Erhobener-Zeigefinger-Theater zu verfallen, zumal sie den „Sprachkitsch“ | |
| der Linken ebenso kritisiert wie die populistischen Parolen der Rechten: | |
| „Das seit Jahrzehnten verwendete Vokabular von der Menschenwürde berührt | |
| uns nicht mehr“, sagt de Weck. „Wir sind so sehr daran gewöhnt, zu hören | |
| oder auf Plakaten zu sehen, dass Menschen hungern, dass uns das nicht mehr | |
| antreibt.“ | |
| ## Musik als Mittel gegen die Moralität | |
| Zusammen mit ihrem Team, den SchauspielerInnen Anna König und Christian | |
| Bayer, dem Sänger Bill Saliou sowie dem Musiker und | |
| Golden-Pudel-Club-Geschäftsführer Viktor Marek, setzt sie auf eine | |
| „Durcheinanderwirbelung“, so de Weck, „bis man hoffentlich nicht mehr üb… | |
| Begriffe, sondern wieder über Menschen nachdenkt. Musik ist dabei ein gutes | |
| Mittel, um nicht in die Moralität zu verschwinden. Man kann viele Dinge | |
| über einen Beat besser vermitteln als über Text oder Spiel.“ Mareks | |
| musikalischer Eklektizismus dürfte dazu entscheidend beitragen. | |
| Gegen die Schweizer Abstimmung hatte sich Laura de Weck zusammen mit ihrer | |
| Schwester, der Völkerrechtlerin Fanny de Weck, eingesetzt, unter anderem | |
| mit dem Videoclip „[2][1, 2 Discobei]“: Darin werden alle Einwanderer aus | |
| einem Club herauskomplimentiert. Die Konsequenzen der Initiative sieht sie | |
| mit großer Sorge. | |
| Die Reaktionen der Deutschen wiederum hat sie als gespalten erlebt: „Die | |
| meisten sagen: Ihr dreht doch komplett durch. Damit kann ich gut leben“, | |
| erzählt sie. „Andererseits bekomme ich auch immer wieder zu hören: Das | |
| klingt doch gar nicht so schlimm, das ist doch mutig von den Schweizern. | |
| Dabei ist gar nicht abzusehen, was die Abstimmung für Folgen haben wird, | |
| weder für die Eingewanderten noch für die Schweizer selbst.“ | |
| "Espace Schengen": 6. bis 8. März, Hamburg, Kampnagel | |
| 1 Mar 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.kampnagel.de/de/programm/espace-schengen/?datum=&id_datum=22… | |
| [2] http://www.youtube.com/watch?v=HNzUpoQLUzk | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Klimpe | |
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