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# taz.de -- Kommentar Schweiz: Ja, ich bin neidisch auf die Schweiz
> Volksabstimmungen sind ein hohes Gut und schaffen mehr Transparenz. Doch
> wenn ihre Ergebnisse dem Völkerrecht widerlaufen, muss man sie
> kritisieren.
Bild: Poster der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegen „Masseneinwanderung�…
Wer – zumal als gebürtiger Deutscher – den Inhalt der SVP-Intiative „Geg…
Masseinwanderung“ öffentlich kritisiert, erhält insbesondere seit ihrem
Abstimmungssieg vom letzten Sonntag viele gehässige und hämische E-Mails
oder Internetkommentare. Davor schützen auch 26 Jahre Leben, Arbeiten sowie
Steuern und Abgaben zu zahlen in der Schweiz nicht.
Fast alle Zuschriften unterstellen entweder, meine konkrete Kritik an
dieser Initiative ziele grundsätzlich auf die Abschaffung der direkten
Demokratie in der Schweiz. Oder aber, ich sei ja nur neidisch auf diese
nicht nur in Europa, sondern weltweit einmaligen basisdemokratischen
Mitbestimmungsrechte der Eidgenossen. Und fast immer wird gefragt, ob ich
denn sicher sei, dass eine Volksabstimmung zum Thema „Masseneinwanderung“
in Deutschland oder anderen EU-Ländern nicht auch eine Mehrheit fände.
Nein, da bin ich mir überhaupt nicht sicher. Was allerdings erst recht ein
Grund ist, zu der Schweizer Abstimmung den Mund auf zu machen. Und ja, ich
bin neidisch auf die Schweiz. Weil ich mir die hier existierenden
plebiszitären Rechte und Instrumente schon seit langer Zeit für alle
EU-Länder wünsche und auch für die Entscheidungen, die in Brüssel oder vom
Straßburger Europaparlament für den gesamten EU-Raum getroffen werden.
Denn allein schon die Existenz dieser Rechte und Instrumente und die
Möglichkeit, dass davon Gebrauch gemacht werden könnte, zwingt die
politischen Entscheidungsträger in Regierung und Parlament zu mehr
Transparenz . Und dazu, Gesetzesvorhaben und Beschlüsse frühzeitig
öffentlich zu kommunizieren und zu begründen. Und weil der Abstimmungskampf
über Initiativen - trotz all seiner Profilierungsmöglichkeiten für manchmal
auch widerwärtige Populisten - eine stabilisierende und integrierende
Funktion für die Demokratie hat. Auch die Verlierer am Abstimmungstag waren
am Prozeß der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zumindest beteiligt.
Weit mehr als die BürgerInnen in rein repräsentativen Demokratien.
## Eine Einschränkung, zwei Ergänzungen
Zu dem grundsätzlichen Plädoyer für die Basisdemokratie gehören allerdings
eine notwendige Einschränkung und zwei wesentliche Ergänzungen. Die
Einschränkung: Initiativen, die den Menschenrechten oder dem (auch für die
Schweiz unmittelbar geltenden) Völkerrecht widersprechen, sollten vom
Parlament für ungültig erklärt werden.
So wäre etwa die Minarett-Initiative nie zur Abstimmung gelangt. Die erste
Ergänzung: Es ist künftig durch entsprechende gesetzliche Regeln dafür zu
sorgen, dass die Befürworter und die Gegner einer Initiative im
Abstimmungskampf zumindest über etwa gleich lange Spieße verfügen. Sonst
könnten die basisdemokratischen Mitbestimmungsrechte zu Instrumenten der
wirtschaftlich und politisch mächtigen Interessengruppen pervertieren.
Im Abstimmungskampf zum Beispiel über die gescheiterte „1:12-Initiative für
gerechte Löhne“ verfügten die Initianten nur über einen Bruchteil der
Geldmittel, die der Unternehmerverband Economiesuisse und andere Gegner für
Materialien, Zeitungsanzeigen, Fernsehspots und Veranstaltungen zur
Bekämpfung der Initiative einsetzten.
Zweite Ergänzung: das Abstimmungsrecht über Initiativen sollten - ebenso
wie das Wahlrecht zumindest auf kommunaler und kantonaler Ebene - endlich
auch alle Ausländer erhalten, die seit mindestens fünf Jahren in der
Schweiz oder in einem anderen europäischen Land leben. Und zwar unabhängig
von einer Einbürgerung.
15 Feb 2014
## AUTOREN
Andreas Zumach
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