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# taz.de -- Debatte EU-Reaktionen auf Schweiz: Linkspopulismus bringt es nicht
> Gegen die erstarkenden Rechtspopulisten in der EU hilft nur ein
> politisches Programm. Ängste schüren und Feindbilder aufbauen ist die
> falsche Strategie.
Bild: Die Schweiz: Wo will sie hin?
Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) hat mit einer
ausländerfeindlichen und wohlstandschauvinistischen Kampagne ein Referendum
zur Begrenzung von „Masseneinwanderung“ gewonnen. Und dies, obwohl –
ausweislich aktueller Studien und Statistiken der OECD, der Universität
Basel und der Regierung in Bern – die Schweizer Volkswirtschaft stärker als
jedes andere westliche Land vom freien Personenverkehr und von
ausländischen Arbeitskräften profitiert. Gleichzeitig existiert die von der
SVP-Kampagne behauptete Konkurrenz für einheimische Arbeitskräfte mit
Ausnahme einiger Regionen im Kanton Tessin nicht.
Ausschlaggebend für den zählbaren Erfolg der SVP-Kampagne bei immerhin
jeweils über 25 Prozent der Anhänger und Mitglieder der Grünen, der
wertkonservativen Christdemokraten und der wirtschaftsliberalen FDP war der
sogenannte Dichtestress: verstopfte Autobahnen, überfüllte Busse und
Straßenbahnen, explodierende Wohnungsmieten, überlastete
Sozialeinrichtungen, Zersiedlung der Landschaft und Umweltzerstörung –
reale, eingebildete oder von der SVP-Propaganda übertriebene Probleme, für
die die Partei pauschal Migranten zum Sündenbock stempelte.
Dabei ist die SVP mehr als alle anderen Parteien selbst verantwortlich für
die von ihr skandalisierten Probleme. Immerhin stellt sie seit über zwanzig
Jahren die stärkste Fraktion im Parlament und ist an der Regierung im Bund
wie in zahlreichen Kantonen und Städten beteiligt.
Stärker als jede andere Partei frönt die SVP dem Autowahn, behindert den
Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, torpediert die von der
Schweizer Bevölkerung bereits 1994 beschlossene Verlagerung des
Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Ebenso blockiert sie den Bau
erschwinglichen Wohnraums und betreibt den Abbau des Sozialsystems und
anderer Bereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge.
Gemeinsam mit der wirtschaftsliberalen FDP ist die SVP die treibende Kraft
hinter dem ruinösen Steuersenkungswettbewerb mit dem Ausland sowie zwischen
den Schweizer Kantonen, der in den letzten Jahren für den starken Zuzug
ausländischer Unternehmen in die Schweiz gesorgt hat. Das wiederum führt
dazu, dass Zehntausende ausländischer Arbeitskräfte in die Schweiz
migrierten.
Wer jedoch verhindern will, dass rechtspopulistische ausländerfeindliche
Kampagnen demnächst auch in den EU-Staaten Erfolg haben, muss die mit dem
„Dichtestress-Phänomen“ verbundenen Ängste ernst nehmen.
## Kein linker Populismus
Natürlich ist es zunächst richtig, dass die EU auf Vertragsverstöße der
Schweiz, wie die bereits verkündete Annullierung der bislang für 2024
vorgesehenen Einführung des freien Personenverkehrs mit EU-Mitglied
Kroatien, sofort mit Gegenmaßnahmen reagiert. Aber mittelfristig wird sich
die Personenfreizügigkeit in Europa nur bewahren lassen und eine menschen-
und völkerrechtskonforme Politik gegenüber Flüchtlingen aus
außereuropäischen Ländern durchsetzbar werden, wenn drei andere Freiheiten
neoliberaler Globalisierung endlich enttabuisiert und anhand
menschenrechtlicher, sozialer und ökologischer Kriterien eingeschränkt
werden: der freie Verkehr von Kapital, Waren und Dienstleistungen.
Braucht es dafür einen linken Populismus, wie einige Stimmen in Reaktion
auf den Sieg der Schweizer Rechtspopulisten jetzt fordern? Sollen nun auch
Linke Ängste schüren, Feindbilder aufbauen, systematisch Lügen verbreiten
und andere zum Sündenbock für selbst verschuldete Probleme stempeln? Nein,
natürlich nicht.
Notwendig ist allerdings, dass sich Linke, Grüne, GewerkschafterInnen, und
alle, die die negativen Folgen der neoliberalen Globalisierung erkannt
haben, endlich möglichst europaweit (EU + Schweiz) auf einige zentrale
Forderungen einigen. Und auf eine Strategie sowie gemeinsame Kampagnen, um
nicht nur zu Wahlkampfzeiten in der breiten Öffentlichkeit Unterstützung
für diese Forderungen zu gewinnen.
Vorrangig sind folgende Forderungen. Erstens: Harmonisierung der
Steuerpolitik, um den ruinösen Steuersenkungswettbewerb zwischen
europäischen Staaten und die damit verbundenen Probleme der Verlagerung von
Unternehmen und Arbeitskräften in die Schweiz und andere Steuerparadiese zu
beenden.
## Mindestlöhne müssen kommen
Zweitens: Die Einführung landesweiter Mindestlöhne würde es Unternehmen
erschweren, ausländische und einheimische Arbeitskräfte gegeneinander
auszuspielen. Diese Maßnahme würde auch den Konkurrenzdruck durch billigere
ausländische Dienstleistungsfirmen mildern. Drittens: Die Einschränkung des
umweltzerstörerischen europaweiten Güterverkehrs durch die Förderung
lokaler und regionaler Produktion und Vermarktung insbesondere bei
Nahrungsmitteln; Verbot von Lkw-Leerfahrten und Verlagerung des
Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene.
Doch sachpolitische Forderungen allein – und seien sie noch so gut
begründet und überzeugend vorgetragen – reichen nicht aus, um künftige
Wahl- und Abstimmungserfolge fremdenfeindlicher Rechtspopulisten zu
verhindern. Denn diese Erfolge verdanken sich zu einem erheblichen Teil
auch der völlig berechtigten Kritik am Demokratie- und Transparenzdefizit
von Politik und Institutionen insbesondere der EU, aber auch einiger ihrer
Mitgliedsländer.
Diese berechtigte Kritik lässt sich nur überwinden, wenn die EinwohnerInnen
der EU-Staaten sowohl für die Entscheidungen, die in Brüssel oder vom
Straßburger Europaparlament für den gesamten EU-Raum getroffen werden, wie
für Entscheidungen auf nationaler Ebene endlich auch die
direktdemokratischen Mitbestimmungsrechte erhalten, die die Eidgenossen
haben.
Denn allein schon die Existenz dieser Rechte und Instrumente und die
Möglichkeit, dass davon Gebrauch gemacht werden könnte, zwingt die
politischen Entscheidungsträger in Regierung und Parlament zu mehr
Transparenz. Und dazu, Gesetzesvorhaben und Beschlüsse frühzeitig
öffentlich zu machen und zu begründen.
20 Feb 2014
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Schweiß
Freizügigkeit
SVP
EU
Rechtspopulismus
Neoliberalismus
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