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# taz.de -- Internationaler Strafgerichtshof urteilt: Warlord ist teilweise sch…
> Bei einem Massaker 2003 war der kongolesische Milizenführer Germain
> Katanga nicht dabei. Dennoch wurde er in Den Haag dafür verurteilt.
Bild: Germain Katanga bei der Urteilsverkündung am Freitag.
BERLIN taz | Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat den
kongolesischen Milizenführer Germain Katanga schuldig gesprochen – aber nur
in einer sehr abgeschwächten Form, die viele heikle politische Fragen
aufwirft. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Der ehemalige Oberkommandierende der Miliz FRPI (Widerstandskräfte für
Frieden in Ituri) wurde am Freitag als mittelbarer Mittäter bei einem
Massaker verurteilt, das FRPI-Truppen und andere Milizionäre am 24. Februar
2003 im Ort Bogoro im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo begangen
hatten. Anders als von der Anklage vorgetragen, habe er keine
Kommandofunktion während des Massakers ausgeübt, befanden die Richter.
Sie sprachen ihn lediglich der Mittäterschaft bei Mord, Angriffen auf
Zivilisten, Zerstörung von Eigentum und Plünderung schuldig – und von den
Vorwürfen der Vergewaltigung, der sexuellen Versklavung und des Einsatzes
von Kindersoldaten frei.
Katanga stand knapp sechs Jahre lang vor Gericht. Ursprünglich war er
gemeinsam mit einem weiteren Milizenführer angeklagt: Mathieu Ngudjolo,
Führer der Miliz FNI (Nationalistische Kräfte für Integration). Die
ursprüngliche Anklage hatte ausgeführt, dass die FRPI, die FNI und weitere
bewaffnete Gruppen der Volksgruppen der Lendu und Ngiti im
nordostkongolesischen Distrikt Ituri gemeinsam am 24. Februar 2003 das Dorf
Bogoro überfielen, wo sich Stellungen der Miliz UPC (Union kongolesischer
Patrioten) sowie zahlreiche Zivilisten der Volksgruppe der Hema befanden.
## Mitangeklagter schon freigesprochen
Hema- und Lendu-Milizen bekämpften sich damals in einem erbitterten Krieg
um die politische Vormacht in Ituri – die Hema-Gruppen waren damals eher
mit ostkongolesischen Rebellen und deren Schutzmacht Ruanda verbündet, die
Lendu-Gruppen eher mit Kongos damaliger Regierung, die nur den Westteil des
Landes beherrschte. Der Ituri-Krieg wurde mit Mitteln der „ethnischen
Säuberung“ ausgetragen und forderte zwischen 1999 und 2003 über 50.000
Tote. Das Massaker von Bogoro war mit mehreren Hundert Toten einer der
blutigsten Einzelvorfälle dieses Krieges.
Im Dezember 2012 hatte der Strafgerichtshof Mathieu Ngudjolo
freigesprochen: Er sei weder in Bogoro anwesend gewesen noch gebe es
Hinweis auf seine Kommandotätigkeit in der FNI zum Zeitpunkt des Massakers.
Gegen Germain Katanga wurde jedoch weiter prozessiert. Nun kommt das
Gericht zum Schluss, auch Katanga sei weder in Bogoro anwesend gewesen noch
gebe es Hinweis auf seine Kommandotätigkeit bei dem Massaker. Er habe aber
Befehlsgewalt in seiner Miliz FRPI ausgeübt.
Deswegen wird Katanga nun verurteilt und Ngudjolo nicht. Im Fall Ngudjolo
läuft ein Antrag auf Berufung; Ngudjolo selbst hat erfolglos in den
Niederlanden Asyl beantragt, um nicht zurück in den Kongo zu müssen, und
befindet sich weiterhin im Land.
## Richter uneins
Nicht alle Richter in Den Haag waren für eine Verurteilung Katangas. Der
Schuldspruch erfolgte nicht einstimmig, sondern mit zwei Stimmen gegen
eine. Eine belgische Richterin befand, die Veränderung der Anklagepunkte
während des laufenden Verfahrens mache eine Verurteilung, die sich auf
Aussagen des Angeklagten vor der Veränderung stützte, unzulässig.
Dies wird voraussichtlich in einem Berufungsverfahren geklärt werden
müssen. Ob aber die politischen Fragen geklärt werden, die das
Katanga-Verfahren aufwirft, ist unklar. Denn das Gericht stellt eindeutig
fest, dass Verantwortung für das Massaker von Bogoro auch bei anderen
Kongolesen zu suchen ist - die allerdings nicht vor Gericht stehen.
## Sechs Flugzeuge voller Waffen. Von wem?
Den Richtern zufolge nahm Katanga auf dem Flugplatz Aveba die Waffen
entgegen, mit denen die FRPI-Kämpfer Bogoro angriffen - moderne
Feuerwaffen. Es sei allen Beteiligten klar gewesen, wofür diese Waffen nach
Aveba geliefert wurden: nämlich genau für diesen Angriff, bei dem modernere
und schlagkräftige Rüstungsgüter eingesetzt wurden als je zuvor in Ituri.
Von wem kamen die Waffen?
Von der Rebellenbewegung RCD-ML (Kongolesische Sammlung für
Demokratie/Befreiungsbewegung) der Volksgruppe der Nande weiter südlich in
der Provinz Nord-Kivu, die wiederum mit Kongos Regierung von Präsident
Joseph Kabila in Kinshasa verbündet war.
Die in der Stadt Beni basierte RCD-ML, geführt vom Nande-Politiker Mbusa
Nyamwisi, war damals die wichtigste mit Kinshasa verbündete bewaffnete
Gruppe im ansonsten von proruandischen Rebellen beherrschten Kivu. Sie
unterhielt einen bewaffneten Flügel namens APC (Kongolesische Volksarmee),
der auch in Ituri aktiv war und bereits im September 2002 zusammen mit
Lendu- und Ngiti-Milizen maßgeblich am blutigsten Massaker des
Ituri-Krieges mitwirkte, dem Überfall auf die Kleinstadt Nyankunde mit über
1000 Toten.
APC-Einheiten waren danach gemeinsam mit FRPI-Einheiten in Aveba
stationiert und nahmen vor dem 24. Februar 2003 mindestens sechs
Flugzeugladungen voller Waffen entgegen, wie Germain Katanga selbst vor
Gericht bestätigte. Die APC-Kämpfer bildeten dann die ungeübten
FRPI-Milizionäre im Gebrauch der modernen Ausrüstung aus. Katanga war bei
all dem der Mittelsmann und die Schlüsselfigur, so das Gericht.
## Die Rolle der Regierung in Kinshasa
Mit diesen Feststellungen allerdings wirft der Internationale
Strafgerichtshof die Frage auf, warum nicht auch die Waffenlieferanten und
die Verbündeten der Ituri-Milizen vor Gericht stellen. Die beim Angriff auf
Bogoro benutzten Waffen kamen von der RCD-ML aus Beni, die sie wiederum von
Kongos Regierung aus Kinshasa erhalten hatte.
Aber kein Politiker der RCD-ML, kein Kriegsführer der Volksgruppe der Nande
und kein Politiker der kongolesischen Regierung ist jemals vom
Strafgerichtshof angeklagt worden. RCD-ML-Führer machte nach Ende des
Kongokrieges 2003 Karriere als Außenminister des Kongo, ist allerdings
inzwischen in der Opposition und hat sein Parlamentsmandat eingebüßt.
Die Frage, wie und über wen Kongos Regierung bewaffnete Gruppen während der
Konflikte im Ostkongo ausgerüstet hat und damit Massaker ermöglichte -
daran kann sich die internationale Justiz nicht heantrauen, ohne ihre
Zusammenarbeit mit dem Kongo zu gefährden. Ohne diese Zusammenarbeit aber
müsste sie ihre Kongo-Verfahren einstellen. Und bis heute haben in Den Haag
nur Kongolesen vor Gericht gestanden.
7 Mar 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
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