| # taz.de -- Neuer Milizenterror im Kongo: Angst, Wut und Unverständnis | |
| > Angriffe auf Dörfer der Hema-Volksgruppe treiben Zehntausende von | |
| > Menschen in eine gefährliche Flucht. Der Staat tut nichts, sagen | |
| > Betroffene. | |
| Bild: Flüchtlinge erhalten Essen im Zentrum von Bunia | |
| Berlin taz | 250.000 Binnenvertriebene. 42.000 Flüchtlinge in Uganda, 13 | |
| niedergebrannte Dörfer. Das ist die Bilanz der jüngsten Gewalt in der | |
| Provinz Ituri im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, die Ephrem | |
| Chiruza, kongolesischer Sprecher des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC), | |
| am Dienstag verbreitete. „Die Lage ist schlimm und angespannt“, schrieb er. | |
| In Ituris Hauptstadt Bunia demonstrierten derweil aufgebrachte Jugendliche | |
| gegen die Gewalt, die Ituri zum aktuell blutigsten Konfliktgebiet des Kongo | |
| gemacht hat. Wütende Jugendliche der Hema-Ethnie – in Bunia die Mehrheit, | |
| aber im Umland die Minderheit – zogen bereits am Montag zum Auftakt eines | |
| zweitägigen Generalstreiks mit Stöcken durch die Straßen und demonstrierten | |
| vor dem Sitz der Provinzregierung, während kongolesische | |
| Regierungsmitglieder die Stadt besuchten. | |
| „Die Jugendlichen singen, Macheten in der Hand, mit Pfiffen und Sprüchen | |
| gegen die Regierung“, berichtete ein Augenzeuge auf Twitter. Ein anderer: | |
| „In Bunia ist alles möglich. Wir sind gerade knapp einer Verletzung mit | |
| Speeren mitten in der Stadt entgangen.'‘ | |
| Die Wut richtet sich gegen die seit Monaten währenden Angriffe auf Dörfer | |
| im nördlichen Umland von Bunia, die auf Hema zielen und von diesen auf | |
| Milizen der Volksgruppe der Lendu zurückgeführt werden – genau wie im | |
| Ituri-Krieg von 1999 bis 2003. „Die Angreifer kommen in drei Gruppen“, | |
| berichtete gegenüber AFP die Hema-Flüchtlingsfrau Françoise Malosi über den | |
| Angriff auf ihr Dorf Blukwa Anfang Februar. | |
| „Vornedran die Jungen, mit Macheten, Speeren und Pfeilen. Sie töten die | |
| Leute. Dann kommen die, die die Häuser anzünden. Am Ende die, die das Vieh | |
| und den Besitz plündern.“ Die 54-Jährige verbrachte mit 1.900 anderen drei | |
| Tage im Busch, bis sie alle Bunia erreichten. | |
| ## 49 Menschen abgeschlachtet | |
| Lokale Hilfswerke sind mit der Versorgung der über 20.000 nach Bunia | |
| geflohenen Hema überfordert. In Ituri insgesamt sind über 200.000 weitere | |
| Menschen auf der Flucht. Zehntausende sind unter abenteuerlichen Umständen | |
| über den Albertsee nach Uganda geflohen. | |
| Sie landen, wenn sie nicht auf der bis zu zehnstündigen Überfahrt in Sturm | |
| und Regen ertrinken, im Dorf Sebagoro: mehrere hundert täglich, berichtet | |
| Ärzte ohne Grenzen und warnt, die Aufnahmekapazitäten seien zeitweise so | |
| überschritten gewesen, „dass Geflüchtete bis zu einer Woche in Sebagoro | |
| bleiben mussten, wo es kaum Hilfe, keine Latrinen und keinen Zugang zu | |
| sauberem Wasser gab“. | |
| Hema sowie Vertreter der in Ituri von Hema dominierten katholischen Kirche | |
| – mittlerweile die aktivste Opposition gegen Kongos Präsident Joseph Kabila | |
| – sind inzwischen davon überzeugt, dass es sich um gezielte Angriffe | |
| handelt, bei denen staatliche Stellen beide Augen zudrücken. Ein | |
| Kirchenschreiben aus Bunia, das der taz vorliegt, berichtet über einen | |
| Angriff auf das Dorf Maze am 1. März: | |
| Die Angreifer seien zunächst von Soldaten zurückgeschlagen worden, seien | |
| aber wenig später zurückgekehrt und hätten 49 Menschen abgeschlachtet. Als | |
| die Überlebenden am nächsten Tag ihre Toten bergen wollten, seien die | |
| Angreifer zurückgekehrt, so außerdem der Hema-Kulturverband ENTE. Sie seien | |
| aus nahen Lendu-Dörfern gekommen. | |
| Politiker richten schwere Vorwürfe an die lokalen Behörden. Verhaftete | |
| Täter früherer Massaker seien nicht vor Gericht gestellt worden, | |
| kritisierten am Montag die gewählten Parlamentsabgeordneten von Ituri – | |
| Regierungs- und Oppositionspolitiker – in einer gemeinsamen Erklärung. | |
| Bereits am 20. Februar hatte die Ituri-Parlamentariergruppe den Rücktritt | |
| des Provinzgouverneurs Abdallah Pene Mbaka gefordert. Sie berichteten aus | |
| dem Gewaltgebiet über „Unzugänglichkeit vieler verwesender Leichen, was | |
| eine Epidemie hervorzurufen droht; ungenügende Zahl oder Abwesenheit und | |
| ungenügende Ausstattung der Sicherheitskräfte; und Mangel an Vertrauen | |
| zwischen den lokalen Gemeinschaften und der Provinzregierung“. | |
| 6 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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