# taz.de -- Krise in der Ukraine: Krim-Führung droht Kiew | |
> Kommenden Sonntag stimmen die Krim-Bewohner über den Anschluss an | |
> Russland ab. Die selbsternannte Führung bereitet sich vor Ort mit | |
> Beschlagnahmungen darauf vor. | |
Bild: Pro-russische Propaganda für die Abstimmung auf der Krim. | |
MOSKAU/PARIS/TALLIN dpa/rtr | Die selbsternannte Führung der Krim will die | |
im Hafen der Halbinsel stationierten ukrainischen Kriegsschiffe | |
beschlagnahmen und nicht an die Regierung in Kiew zurückgeben. Die | |
Fahrrinne in Sewastopol sei bereits blockiert, sagte der moskautreue | |
Regierungschef Sergej Aksjonow am Dienstag der Agentur Ria Nowosti. „Die | |
dortige ukrainische Flotte wird in vollem Umfang verstaatlicht – wir sind | |
nicht im Begriff, die Schiffe herauszugeben“, sagte er. | |
Aksjonow kündigte an, dass außer der Flotte auch Kraftwerke und der | |
Energieversorger Tschernomorneftegas beschlagnahmt würden. Privateigentum | |
sei nicht betroffen. Ukrainische Soldaten, die nicht die Seite wechseln | |
wollten, müssten die Halbinsel verlassen. | |
Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew sagte, Russland habe der | |
Autonomen Halbinsel eine Soforthilfe von einer Milliarde US-Dollar (etwa | |
720 Millionen Euro) in Aussicht gestellt. Die Führung in Simferopol wolle | |
die Tranche für Gehälter und Renten nutzen, nachdem die Zentralregierung in | |
Kiew den Geldhahn zugedreht habe. | |
Am Sonntag hält die zur Ukraine gehörende Krim ein international nicht | |
anerkanntes Referendum über einen Anschluss an Russland ab. | |
## Geld an Kiew, Awacs für die Krim | |
Die Weltbank hat der Ukraine zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von einer | |
Milliarde Dollar in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Die Regierung in Kiew | |
könne direkt darüber verfügen, wenn sie wirtschaftliche Reformen umsetze, | |
teilte das Institut mit Sitz in Washington am Montag mit. Da ohnehin zwei | |
Milliarden Dollar an Hilfsgeldern gezahlt werden sollen, würde die | |
Gesamtsumme damit auf bis zu drei Milliarden Dollar in diesem Jahr steigen. | |
In einem laufenden Hilfsprogramm stützt die Weltbank die Ukraine bereits | |
mit rund 3,7 Milliarden US-Dollar (2,67 Mrd Euro). Kiew steht vor der | |
Zahlungsunfähigkeit. | |
Zur Beobachtung der Lage in der Ukraine entsendet die Nato | |
Aufklärungsflugzeuge an die Grenzen der früheren Sowjetrepublik. Die | |
ständigen Botschafter der 28 Mitgliedstaaten der Nato gaben am Montag | |
grünes Licht für die Awacs-Flüge. Diese seien Teil der Bemühungen der | |
Militärallianz, die Krise in der Ukraine zu verfolgen, teilte ein | |
Nato-Beamter in Brüssel mit. Die Flugzeuge sollten nur über dem Gebiet von | |
Nato-Mitgliedstaaten fliegen und starten im rheinischen Geilenkirchen und | |
im britischen Waddington. | |
In New York kam derweil der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zum | |
fünften Mal binnen zehn Tagen zusammen. An der russischen Haltung könne er | |
keine Änderung sehen, sagte der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant. | |
„Aber wir können eine zunehmende Isolation Russlands feststellen.“ Moskau | |
weigert sich bislang, mit der prowestlichen neuen Führung in Kiew in einer | |
Kontaktgruppe zu reden. | |
Nach Angaben des britischen Premierministers David Cameron wollten am | |
Dienstag mehrere EU-Vertreter in London eine Liste von 18 Personen | |
zusammenstellen, denen Strafmaßnahmen drohten, sollte Russland seine | |
Politik auf der Krim nicht ändern. Es sei wichtig, den Ereignissen in der | |
Ukraine nicht „blind zuzuschauen“, sagte er. In Brüssel erklärten | |
Diplomaten, am kommenden Montag könnten die EU-Außenminister weitere | |
Strafmaßnahmen wie Einreiseverbote und Kontensperrungen beschließen. | |
## Baltikum will Sanktionen | |
Zu den Befürwortern harter Sanktionen zählen unter anderem die Länder des | |
Baltikums. In Estland sowie den anderen beiden Staaten Lettland und Litauen | |
besteht die Sorge, dass Moskau hier ebenfalls versuchen könnte, seinen | |
Einflussbereich auszudehnen. | |
Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite hat kurz vor einem Treffen mit | |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine entschlossene EU-Reaktion | |
auf Russlands Vorgehen in der Ukraine gefordert. Für Europa sei es an der | |
Zeit, sich zu entscheiden und sein Gesicht zu wahren, auch wenn es | |
wirtschaftlich selbst von harten Sanktionen gegen Russland betroffen wäre, | |
sagte Grybauskaite im litauischen Fernsehen. „Putins Russland wird zu einem | |
Beispiel für Aggression und demonstriert praktisch gegenüber jedem Stärke – | |
allein gegen alle“, zitierte die Agentur BNS die Staatschefin der | |
Ex-Sowjetrepublik. Steinmeier wurde an diesem Dienstag in Litauen erwartet, | |
der letzten Station einer eintägigen Reise durchs Baltikum. | |
Die Europäische Union droht der Regierung in Moskau wegen ihres Verhaltens | |
schärfere Sanktionen an. Nach den Worten von Bundesaußenminister | |
Frank-Walter Steinmeiers soll darüber wohl erst nach dem Krim-Referendum | |
entscheiden werden. „Wir werden uns am Montag, wenn das Wochenende | |
vorbeigeht, ohne dass noch eine sichtbare Veränderung im russischen | |
Verhalten eintritt, dann im europäischen Rat über eine weitere Stufe von | |
Maßnahmen unterhalten müssen“, sagte Steinmeier am Dienstag bei einem | |
Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. „Wir wollen nicht die | |
Konfrontation“, sagte er. Aber das Vorgehen der russischen Seite in der | |
Ukraine-Krise mache dies leider notwendig. Estland ist die erste Station | |
seiner eintägigen Reise durchs Baltikum. | |
## Frankreich droht Russland | |
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sprach sich allerdings für ein | |
schnelleres Eingreifen aus. Er hat Russland mit neuen Sanktionen schon „ab | |
dieser Woche“ gedroht, sollte Moskau im Krim-Konflikt nicht einlenken. | |
Bislang habe die russische Regierung nicht auf die Deeskalationsvorschläge | |
des Westens reagiert, sagte Fabius am Dienstag im Radiosender France-Inter. | |
„Wenn sie nicht oder negativ antwortet, gibt es eine Reihe von Sanktionen, | |
die ab dieser Woche beschlossen werden können.“ Fabius nannte das | |
Einfrieren von Konten oder den Entzug von Visa als Möglichkeiten. Die | |
Maßnahmen könnten gegen Russen oder Ukrainer verhängt werden, die für die | |
Eskalation auf der Krim verantwortlich seien. | |
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten dies auf ihrem Sondergipfel in | |
der vergangenen Woche angedroht. Die EU hatte auch einen Drei-Stufen-Plan | |
beschlossen, falls sich Russland von der Krim nicht zurückzieht. Als erster | |
Schritt wurden die Verhandlungen mit Moskau über Visa-Erleichterungen für | |
Russen ausgesetzt. Auch über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland | |
wird vorerst nicht weiter verhandelt. | |
11 Mar 2014 | |
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