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# taz.de -- Parlamentswahl in Indien: Hackbarer Volkswille
> Zum dritten Mal stimmen die Inder ausschließlich mit Wahlcomputern über
> ihr Parlament ab. Die Geräte sind jedoch sehr einfach zu manipulieren.
Bild: Die Wahlcomputer werden vorbereitet. Experten kritisieren, dass sie noch …
DELHI taz | Ein Mann nimmt sein Handy aus der Brusttasche, wählt einen
Kandidaten aus, klickt. Dann verschwindet das Handy wieder. Eine Szene wie
sich Experten die Manipulation eines Wahlcomputers vorstellen. Nicht
fiktiv, sondern ganz konkret. So sah es aus, als ein Forscherteam aus
Indien, den USA und den Niederlanden nachwies, dass die indischen
Wahlcomputer für Hacker leicht anzugreifen sind.
Seit der Parlamentswahl 2004 wählen hunderte Millionen Wähler nur noch per
Computer. Das hat die Kosten der Wahlen gesenkt, sagt die Wahlkommission,
denn es müssen nicht mehr Millionen Stimmzettel gedruckt und verteilt
werden. Stattdessen stehen in den Wahllokalen mehrere Maschinen mit einer
Liste der Kandidaten und einem blauen Knopf daneben. Die Wähler drücken den
Knopf ihres Kandidaten und am Ende wird einfach zusammengezählt
Hari Prasad, der indische Ingenieur im Hackerteam, erzählt, dass er schon
2004 auf die Schwäche der indischen Wahlcomputer aufmerksam wurde. Damals
arbeitete er mit einer der Entwicklerfirmen zusammen. „Uns fiel auf, dass
die Chips völlig veraltet waren“, sagt Prasad. Doch erst 2010 fand er
Gehör. Die Oppositionspartei [1][BJP kritisierte damals das Wahlergebnis] –
eine Niederlage für sie – und hochrangige Parteimitglieder vermuteten
öffentlich, dass die Computer wohl gehackt worden seien.
Die indische Wahlkommission hielt aber an ihrer Position fest, dass die
Computer „absolut manipulationssicher“ seien und lud Prasad ein, die
Schwächen zu Demonstrieren. Als sie den Termin aber platzen ließ, bekam
Prasad eines der Geräte zugespielt. Dass es ein echtes Gerät war, ist heute
außer Zweifel: Die Wahlkommission ließ Prasad 2010 inhaftieren um
herauszufinden, wie er an den Computer gekommen war.
## Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen
Die Kommission verweist immer wieder darauf, dass die Computer auf
vielfache Weise gesichert sind. Sie werden vor der Wahl mit
Probeabstimmungen getestet, per Zufall an Wahllokale verteilt und auch die
Reihenfolge der Kandidaten ist zufällig. Zwischen den Wahlen und – noch
wichtiger – in der oft wochenlangen Zeit zwischen Stimmabgabe und
-auszählung würden sie in sicheren Räumen aufbewahrt, bewacht und
videoüberwacht.
Doch gemeinsam mit zwei weiteren IT-Experten, Alex Holderman, einem
Professor der Uni Michigan und Rop Gongrijp, einem Aktivisten aus den
Niederlanden, zeigte Prasad 2010, wie anfällig die indischen Wahlcomputer
sind. [2][Sie kamen zu dem Schluss], dass nicht nur die Computer leicht
hackbar sind, sondern dass auch die Sicherheitsvorkehrungen der Kommission
nur wenig Schutz bieten. Insbesondere zeigten sie zwei mögliche Angriffe
auf.
Beim ersten tauschten sie die Zähleranzeige in der Maschine auf, so dass
sie die Ergebnisse immer im Sinne eines Kandidaten falsch darstellte. Um
nicht schon bei vorläufigen Tests aufzufallen, kann die Anzeige mit einer
Smartphone-App ein- und ausgeschaltet werden.
## Triviale Manipulationsmöglichkeiten
Beim zweiten Angriff wird ein Chip an den Speicher der Wahlcomputer
geklammert. Ein Programm wertet die Ergebnisse aus, berechnet, wie die
Stimmen umgeschichtet werden müssten und überschreibt den Speicher
entsprechend. Der Angriff sei für Leute geeignet, die zwischen Stimmabgabe
und -auszählung Zugang zu den Wahlcomputern haben. „Die
Sicherheitsvorkehrungen die es gibt, sind trivial zu umgehen“, sagt auch
Rop Gongrijp. Und das Vorwissen dafür hätten ebenfalls Millionen.
Seit die BJP das Thema auf die Agenda setzte und immer mehr Politiker auch
auf die Forschung der drei Männer verwiesen, ist die indische
Wahlkommission unter Druck. 2011 und 2012 stellten zwei der höchsten
Gerichte Indiens fest, dass die Wahlcomputer tatsächlich manipulierbar
seien und forderten die Wahlkommission auf, sie zu verbessern. Seitdem
experimentiert sie mit einer sogenannte „Papierspur“, bei der die
Wahlcomputer auch einen Stimmzettel ausdrucken. Im Zweifel oder bei einer
Anfechtung können diese Zettel nachgezählt werden.
„Ob das reicht, wird sich zeigen“, sagt Rop Gongrijp. „Wenn die Stimmzett…
nur gesammelt werden, um sie später wegzuwerfen, bleiben die Schwächen“.
Außer bei Anfechtungen müssten regelmäßig Stichproben ausgezählt werden und
bei knappen Ergebnissen müsste ebenfalls in den Wahllokalen nachgezählt
werden. „Und stellen Sie sich mal vor, was für ein Druck dann auf den
Auszählern lastet: Wenn sie immer wieder zum ‚falschen‘ Ergebnis kommen,
stellen sie die indische Demokratie infrage“, so Gongrijp.
Doch bei dieser Wahl wird all das noch keine Rolle spielen. Denn die Inder
wählen auch dieses Mal mit allen Risiken. Nur wenige tausend der insgesamt
zwei Millionen Wahlcomputer hat bisher eine Papierspur.
7 Apr 2014
## LINKS
[1] http://archive.indianexpress.com/news/advani-has-doubts-about-evm-wants-bal…
[2] http://indiaevm.org/evm_tr2010-jul29.pdf
## AUTOREN
Lalon Sander
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