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# taz.de -- Bowie-Ausstellung in Berlin: „Findet Euch selbst!“
> David Bowie wird in Berlin präsentiert. Die Pop- und Stilikone ist nun
> endgültig im Museum angekommen. Aber wie kommt er da wieder heraus?
Bild: Bowie 2003 in Manchester.
Major Tom nimmt seine Proteinpillen ein, setzt den Helm auf und blickt
zurück auf die Erde. Von seiner Blechdose im All wirkt der blaue Planet
seltsam entrückt. Der Kontakt zur Menschheit bricht ab. „There’s something
wrong/Can you hear me Major Tom.“ „Space Oddity“ heißt der Song, erschie…
1969, kurz vor der Mondlandung. Er nimmt die Fortschrittsgläubigkeit jener
Zeit vorweg, auch Pessimismus kommt darin zum Ausdruck, ob der Auswirkungen
von Technologien auf die menschliche Psyche.
Sein Interpret heißt David Bowie und er landet mit „Space Oddity“ einen
Hit. Er wird zum ersten Signalsong des gerade 20-jährigen, imagebewussten
Sängers, der aus dem psychedelischen Wahnsinn in der Ära von Swinging
London unbeschadet herausgekommen ist. Jetzt sehen wir diesen Song mit den
Augen von Major Tom, der einen Blick aus dem Fenster seines Shuttles
hinunter zur Erde wirft. Denn Bowies Vorstellungswelt ist nun musealisiert.
Der „Whole Earth Catalog“ liegt aus, daneben Mondfahrzeuge und Raumschiffe
als chinesische Spielzeuge aus Blech, aber auch das Stylophone, jener
kleine weiße Minisynthesizer, den der Popstar bei „Space Oddity“ eingesetzt
hat.
Der handgeschriebene Songtext ist zu sehen, ein Exemplar von J. G. Ballards
„The Atrocity Exhibition“ liegt in einer Vitrine. Ballards Sammlung
dystopischer Science-Fiction-Kurzgeschichten sollte wenig später auch für
Punk bedeutsam werden. Ein Overall – Le Corbusier soll ihn für Bowie
gestaltet haben – hängt in einem Glaskasten. Vis-à-vis einem Gemälde des
Grafikers und Künstlers Victor Vasarely, Vorlage für die Coverart von
Bowies zweitem Album, auf dem „Space Oddity“ enthalten ist.
„David Bowie is“ war der Titel der Ausstellung, die im vergangenen Jahr
zuerst im Londoner Victoria and Albert Museum lief und nun in einer
erweiterten Version nach Berlin kommt. „David Bowie is someone else“,
„David Bowie is wanting to live“, „David Bowie is Plagiarism or Revolutio…
… Bowies viele „Istzustände“, im Martin-Gropius-Bau sind sie als Losungen
an die Wände der Ausstellungsräume geworfen, – aber sie fehlen im Titel.
## Mythen gewordene Momentaufnahmen
Stattdessen heißt die Schau „David Bowie“, – sein Nachname in altmodisch…
Lippenstift-Style. Berlin, das ist hier gleichbedeutend mit dem Spielfilm
„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, der auf einem Bildschirm zu sehen ist. Dazu
eine Fototapete, die Aufnahmen Bowies aus seiner Zeit im Schöneberg der
siebziger Jahre zeigt. Diese längst zu Mythen gewordenen Momentaufnahmen
sind in schwarz-weiß gehalten. Ein Bestätigungsschreiben an Produzent Tony
Visconti aus den Hansa Studios ist gerahmt, datiert vom 26. August 1977.
Gleich daneben ein expressionistisch anmutendes Porträt, das Bowie von
seinem Künstlerfreund Iggy Pop gemalt hat: Es ist einem Selbstbildnis von
Erich Heckel gegenübergestellt, das Bowie als Vorlage gedient haben soll.
High und low, bei Bowie und seinen Künstlerpersonae fielen diese Pole schon
immer zusammen. Seine Einflüsse, seine Imagewechsel, all das klingt aus
Lautsprechern und flimmert auf Leinwänden in der Ausstellung, ja es baumelt
sogar von der Decke. Die schnell wechselnden Moden und Stile des britischen
Pop, David Bowie hat ihre Vergänglichkeit vorgemacht. Noch heute zehrt
Berlin von der Hipness dieses Multiplikators avant la lettre.
Aber Berlin ist eben nur eine von vielen Stationen in Bowies mehr als
45-jährigen, äußerst vielfältigen Karriere, die in der Ausstellung
ausgeleuchtet werden. Bowie konnte nur zu einer Popikone werden, weil er
seine Wandlungsfähigkeit immer Publicity-trächtig zu verpacken wusste. Weil
er – getreu Artauds Theater der Grausamkeiten – die Barrieren zwischen
Bühne und Publikum beseitigte und bei seinen Fans kreative Potenziale
freisetzte. Symbolisiert ist dies etwa in einer Installation der
„Starman“-Performance bei der britischen TV-Show „Top of the Pops“ am 5.
Juli 1972. Bowie erklärte damals sein futuristisches Ziggy-Stardust-Image
für beendet.
## Fall ins Bodenlose
Die Bühnensituation ist auf spektakuläre Weise nachgestaltet: Eine
Schaufensterpuppe steckt in Bowies gepolstertem Anzug, sie deutet auf die
Betrachter und sagt: „Findet Euch selbst!“ Unter der Puppe ist ein Spiegel.
Statt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, schauen die Betrachter ins
vielfach verspiegelte Bodenlose. Bowie, auch das wird in der Ausstellung
deutlich, ist ein Wegbereiter für das Spiel mit Geschlechterrollen und
sexuellen Zuschreibungen.
Und weil Bowie die Steilvorlagen Andy Warhols und seiner Hausband Velvet
Underground in Form von androgynen Images, Glamrock und silberfarbenen
Glitter Anfang der Siebziger in die Hitparaden und großen Konzerthallen
brachte, bezeichnete ihn der US-Soziologe Van M. Cagle folgerichtig als
„Kulturpolitiker“.
Evident wird Bowies strategische Bedeutung in einer spektakulären „Wall of
Images“: Unzählige Bühnenoutfits sind aufgetürmt in quadratischen Boxen und
verborgen hinter blauen Gaze-Kunststoff aufgereiht, als wären sie Auslagen
in einem Nobelkaufhaus. Auch das wird deutlich, Kommerz bereitete Bowie nie
Sorgen. Er ist nun also endgültig im Museum angekommen. Aber wie kommt
David Bowie da wieder heraus?
15 May 2014
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
David Bowie
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